Das
Leben ins Zentrum stellen! Diese Forderung feministischer Bewegungen
ist so umfassend, wie die eskalierenden Krisen, denen sie begegnen
müssen. Immer mehr Menschen können ihren Alltag nur unter Stress
bewältigen. Mitten in eine Krise der Daseinsvorsorge trifft die Pandemie
gefolgt von Krieg, Inflation und explodierende Energie- und
Lebensmittelkosten. Von der alles überwölbenden Klimakrise, die für
viele auch Flucht bedeutet, ganz zu schweigen. Niedrige Löhne,
entgrenzte Arbeit und steigende Mieten treffen Frauen in besonderer
Weise. Auch, weil sie es sind, die zu Hause kompensieren, was durch
kaputt gesparte soziale Infrastrukturen weg bricht. Nicht selten
bedeutet hohe Sorgeverantwortung auch Armut und soziale Isolation.
Was lässt sich tun gegen die fortschreitende Inwertsetzung des
Lebens? Wie könnte eine Ökonomie aussehen, die das Wohl der Vielen zum
Ziel hat und jede Arbeit wertschätzt? Wie müssen Institutionen aussehen,
in denen wir demokratisch darüber entscheiden, wie Sorgearbeit
organisiert werden kann, und in denen eine Vielfalt von Bedürfnissen zu
ihrem Recht kommt?
Die neuen Formen von Ausbeutung und Landnahme, die ihre Spuren auch
in den Körpern von Frauen hinterlassen, macht die internationale
Bewegung des feministischen Streiks seit 2017 zum Politikum. Von
Lateinamerika ausgehend hat sie damit Massen mobilisiert. In Argentinien
und Chile wird daran gearbeitet, diesen Impuls in intergrale
Care-Systeme zu übersetzen, und in Spanien haben munizipalistische
Stadtregierungen, einen Umbau der Sorgeverhältnisse zum Kern kommunaler
Politik gemacht. Hierzulande fehlt es noch an einem „Projekt“, um ein
solch umfassendes Programm in gangbare Schritte zu gießen: Wie lassen
sich sowohl konkrete Verbesserungen im Alltag erreichen als auch eine
grundlegende Gesellschaftsveränderung einleiten? Eine Strategie für das
heute und morgen.
„Sorgende Städte“ sind ein Vorschlag, der dort ansetzt, wo unser
Leben tagtäglich stattfindet, wo Sorgearbeit geleistet, soziale
Dienstleistungen in Anspruch genommen und politische Entscheidungen
spürbar werden. Zentral ist dabei die Vergesellschaftung von Sorge in
einem mehrfachen Sinne: Es geht um einen Ausbau öffentlicher
Dienstleistungen, eine angemessene Entlohnung professioneller
Care-Arbeit und eine Rekommunalisierung sozialer Infrastrukturen. Nur so
kann Sorgearbeit umverteilt werde, die zu individueller Überforderung
in Familien und Haushalten führt. Vergesellschaftung bedeutet aber auch
einer grundlegende Neuorganisation von Care-Arbeit: Der bisherigen
privatisierten und patriarchalen Form gilt es eine echte
Demokratisierung entgegenzusetzen und gesellschaftliche Institutionen
umzubauen. Es geht um Mitbestimmung und Selbstorganisierung, um andere
Beziehungsweisen und um nachbarschaftlichen Zusammenhalt.
Die zweitägige Konferenz öffnet Räume, um über eine
Vergesellschaftung von Sorge zu diskutieren und stellt Einstiegsprojekte
zur Debatte. Wie kommen wir über die Rekommunalisierung der Altenpflege
hin zu einer Transformation der Klassen- und Geschlechterverhältnisse?
Können Gesundheits- und Sorgezentren die Nachbarschaften und Haushalte
stärken? Wie können alle Menschen einbezogen und sicher sein? Wie kann
gute Sorge auch für diejenigen gewährleistet werden, die oft an den Rand
gedrängt sind? Und welche staatlichen Institutionen gilt es dafür zu
erobern und zu verändern?