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Wie geht Sozialstaat feministisch?

August 2020 • Sabine Skubsch

Foto: i bi / flickr / CC BY-NC-ND 2.0

Foto: i bi / flickr / CC BY-NC-ND 2.0

Krise, Feminismus, Hausarbeiterinnen, Migration, Alternativen, Pflege#Krise #Feminismus #Hausarbeiterinnen #Migration #Alternativen #Pflege

Feministischen Bewegungen ist es über viele Jahrzehnte hinweg gelungen, die ungerechte Verteilung von Sorgearbeit gesellschaftlich zum Thema zu machen. Spätestens mit der Coronakrise ist diese Frage auch im medialen Mainstream angelangt. Wie eine solche Umverteilung von Care-Arbeit zu erreichen wäre, dazu werden in linken Debatten unterschiedliche Ansätze diskutiert – vom bedingungslosen Grundeinkommen über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Arbeitszeitverkürzung, sozial- und familienpolitische Maßnahmen oder einen Ausbau sozialer Infrastrukturen. Was ist aus feministischer Sicht zentral? Und was muss verändert werden, damit Sorgearbeit genauso wertgeschätzt wird, wie die Güterproduktion und der Erwerbsarbeit nicht länger nachgeordnet wird?

„Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ kreist um die Erwerbsarbeit

Das Konzept „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ wird nach wie vor von allen Parteien (mit Ausnahme der AfD) propagiert. Es deckt sich mit dem Wunsch der meisten jungen Paare, die - zumindest in der Theorie – weniger Erwerbsarbeit machen und sich die Kindererziehung teilen wollen. Bei sozialstaatlichen Maßnahmen zur „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ steht insbesondere die Sorge der Arbeitgeberverbände um das zukünftige Arbeitskräftepotenzial im Vordergrund. Der auf Wachstum basierende Kapitalismus ist heute mehr denn je auf gut ausgebildete Arbeitskräfte angewiesen. Die Wirtschaft braucht Frauen, die arbeiten, und sie braucht Menschen, die eine gut ausgebildete nächste Generation heranziehen, was historisch den Frauen zugewiesen wurde. Ziel der staatlichen Familienpolitik ist es daher, die Geburtenrate zu steigern, qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen und die „stille Reserve“, also Frauen mit kleinen Kindern, für die Wirtschaft zu mobilisieren. Ganz in diesem Sinne wirkt das von der ehemaligen Familienministerin Ursula von der Leyen eingeführte Elternzeitgesetz[1] als eine bevölkerungspolitische Maßnahme (vgl. Schultz 2012).

Gut ausgebildeten Frauen gibt es einen Anreiz, Kinder zu bekommen und vollzeitnah zu arbeiten. Gleichzeitig haben die sogenannten „Vätermonate“[2] einen enormen kulturellen Wandel in Bezug auf die geschlechtliche Rollenverteilung bewirkt.

Vor 20 Jahren war es in vielen Branchen noch undenkbar, dass Männer in Teilzeit arbeiten oder Elternmonate nehmen. Der Neoliberalismus ersetzte das „Mann-als-Ernährer-der-Familie-Ideal“ durch das „Alle-Erwachsenen-müssen-arbeiten-Modell“[3] .

Frauen wurden zwar von der Abhängigkeit vom Ehemann befreit, aber an die Stelle der abhängigen Hausfrau wurde die rund um die Uhr aktive Familienmanagerin gesetzt. In der Coronakrise hat sich die Widersprüchlichkeit neuer Arbeitsformen, wie Homeoffice, gezeigt. Durch ständige Erreichbarkeit und Multitasking werden vor allem Mütter dauerhaft überfordert. Unter dem Motto „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ werden Maßnahmen auf den Weg gebracht, die die Zumutung der Mehrfachbelastung abschwächen sollen.

Grundsätzlich infrage gestellt wird diese Politik jedoch nicht, schließlich bleibt sie orientiert an den Erfordernissen der Erwerbsarbeit. Bei der Kinderbetreuung beispielsweise geht es stets darum, dass die Mütter zur Arbeit gehen können. Die Kita-Öffnungszeiten erlauben nicht, zu einer politischen Versammlung oder zum Tanzen zu gehen. Völlig unglaubwürdig klingt das Versprechen von „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ für Frauen in schlecht bezahlten Jobs, bei denen es, obwohl sie ständig hin- und herhasten, einfach nicht zum Leben reicht. Wenig verwunderlich ist es dann, wenn diese Frauen Parteien, die ihnen nicht mehr zu bieten haben, den Rücken kehren.

Inwieweit ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) zu einer gerechten Verteilung der Sorgearbeit beitragen kann, ist in feministischen Diskussionen umstritten. So würde es zwar finanziellen Spielraum für Eltern schaffen, die Arbeit untereinander anders verteilen wollen. Einen Anreiz genau das zu tun, bietet es aber nicht. Da das BGE-Konzept vom Aspekt der sozialen Absicherung ausgeht und die Frage der Verteilung der Arbeit ausklammert, könnte es genauso gut dazu genutzt werden, die traditionelle Rollenverteilung zu stabilisieren.

Verkürzung der Arbeitszeit geht in die richtige Richtung

Die Forderung nach einer Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit ist in vielen feministischen Debatten (zu Recht) ein realpolitischer Favorit. Verbündete finden sich in den Gewerkschaften und bei Politiker*innen und Parteien, die das Soziale und die Arbeit in den Vordergrund stellen. Einen Ansatz dazu entwirft Bernd Riexinger in seinem Buch „Neue Klassenpolitik“. Riexinger unternimmt dabei den Versuch einer Abkehr von einer Definition der Arbeiterklasse, die den männlichen Vollzeit-Industriearbeiter als das Normale konstruiert. Die heutigen Lohnabhängigen sind weiblicher, migrantischer und häufig im Dienstleistungsbereich und in prekären Beschäftigungsverhältnissen zu finden, so seine Klassenanalyse. Als realpolitisches Ziel formuliert Riexinger ein „neues Normalarbeitsverhältnis“ von 28 bis 35 Stunden.

Diese Forderung geht in die richtige Richtung, aber sie spricht vor allem Beschäftigte mit einem auskömmlich bezahlten, unbefristeten Vollzeit-Arbeitsverhältnis an. Für die Mehrheit der Frauen sind aber prekäre, schlecht bezahlte oder Teilzeitarbeitsverhältnisse seit langem die Realität. Wie Menschen, die anderthalb Jobs brauchen, um mit dem unzureichenden Lohn über die Runden kommen, die sich mit Minijobs und Teilzeit rumschlagen und sich nichts mehr wünschen als einen unbefristeten Vollzeit-Job, für diese Forderung mobilisiert werden sollen, bleibt eine Herausforderung.

Es klafft noch eine weitere politische Lücke zwischen Bernd Riexingers eindringlicher Beschreibung der heterogenen prekären Arbeitswelt und der Forderung nach einer „neuen Normalarbeitszeit“. Weder eine Kassiererin mit Minijob, noch eine befristet beschäftigte Sozialarbeiterin oder eine Beschäftigte in einer Großküche fühlt sich angesprochen, wenn sie am „atypischen Rand“ verortet wird. Auch bleibt letztlich für sie unklar, wie eine Umverteilung von Arbeit so aussehen kann, dass eine „Normalarbeit“ im Sinne des „neuen Normalarbeitsverhältnis“ für sie in erreichbare Zukunft rückt.

Eine feministische Erzählung muss deshalb die gesellschaftlich notwendige „systemrelevante“ Arbeit aufwerten. Diese muss sich an dem ungeheuren Produzentenstolz messen, der früher im Bergbau vorherrschte und den man heute in der Automobilindustrie findet. Der ver.di-Tarif-Slogan „Wir sind es wert“ geht in diese Richtung. Im Pflegebereich empfinden die Beschäftigten beispielsweise ein hohes Maß an Gebrauchswertstolz und sind sich der Lebensnotwendigkeit ihrer Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes voll bewusst – nur so erklären sich die endlosen Überstunden, die unter den gegenwärtigen Bedingungen nötig sind, um ihren Job den eigenen Ansprüchen gemäß auszufüllen. Statt diesen Produzentenstolz neoliberal ausbeuten zu lassen, gilt es ihn in kämpferisches Selbstbewusstsein zu wenden, wie es den Aktiven in den Auseinandersetzungen der Berliner Charité gelungen ist.

Um offensive Kämpfe führen zu können, muss sich linke Politik auch für Rahmenbedingungen einsetzen, die dies ermöglichen. Wie soll sich sonst eine wachsende Anzahl von prekären (insbesondere weiblichen) Arbeitnehmer*innen von einer linken Politik angesprochen fühlen, die an Regularien anknüpft, die für sie noch nie gegolten haben. Die Forderung nach einer Stärkung der Betriebsräte verfängt bei vielen auch deshalb nicht, weil das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) so gestrickt ist, dass Betriebsräte im Wesentlichen die Interessen der Stammbelegschaft vertreten. Klassenbewusste Politik muss dafür eintreten, dass der Betriebsbegriff im BetrVG so geändert wird, dass alle abhängig Beschäftigten in Betriebsräten vertreten sein können. Eine feministische Klassenpolitik muss auch in solchen Fragen in die Offensive kommen.

Nicht nur Lebensrisiken absichern, sondern das ganze Leben in den Mittelpunkt stellen

Anfang 2020 hat die LINKE ein „Konzept für einen demokratischen Sozialstaat der Zukunft“ vorgestellt, in dem die feministische Forderung nach einer Neuverteilung der Sorgearbeit aber leider nicht Gegenstand ist. Das LINKE Sozialstaatkonzept zielt auf einen „aktiven Sozialstaat, der die Lebensrisiken wie Krankheit, Unfall, Pflegebedürftigkeit und Behinderung sowie Erwerbsunfähigkeit und Erwerbslosigkeit solidarisch absichert“. Schwangerschaft, Geburt, Kindererziehung und Alter sind aber keine „Lebensrisiken“, es sind Phasen unseres Lebens, in denen wir (mehr als sonst) auf die Sorge anderer angewiesen sind. Wenn Krankheit und Alter „Lebensrisiken“ sind, was ist dann der Normalzustand? Der fitte, gesunde, nichtbehinderte, eher männliche Arbeitnehmer zwischen 18 und 60? Aus feministischer Perspektive braucht es einen Paradigmenwechsel: Alle Menschen sind – mal mehr, mal weniger – auf die Sorge anderer angewiesen. Kriterium für gutes Leben ist, in einer Situation der Hilfsbedürftigkeit versorgt zu werden und ebenso für andere Sorge zu leisten, ohne unangemessene Opfer bringen zu müssen (vgl. Winker 2015).

In die Strategiedebatte der LINKEN Anfang 2020 mischte sich ein im Zuge feministischer Vernetzung in der Partei entstandenes „Feministisches Autor*innenkollektiv“ ein. In ihrem Papier wird eine sozialpolitische Richtung angedeutet, die das ganze Leben in den Mittelpunkt rückt. Dabei geht um viel mehr, als nur ein paar feministische Korrekturen. Nämlich um „eine Gesellschaft, deren Ökonomie sich an den gemeinsam ermittelten Bedürfnissen orientiert, nicht an Wachstum und Profit. Eine Gesellschaft, in der Kinder, Alte und Kranke nicht wegorganisiert werden müssen. ... Statt von der Erwerbsarbeit ausgehend zu überlegen, wie diese zum Leben passt, schlagen wir vor, von der Frage auszugehen, wie wir leben wollen, und daraus abzuleiten, wie wir folglich produzieren und arbeiten müssen und welche Arbeiten wir brauchen.“ Nur, wenn wir einen echten Perspektivwechsel vollziehen und ganz anders auf die zu regelnden Dinge blicken, kommen auch neue Lösungen in den Blick. Lösungen, die „das ganze Leben“ (Frigga Haug) zum Gegenstand auch sozialpolitischer Überlegungen haben.

Feministische Positionen in der Sozialstaatsdiskussion

Erwerbs- und Sorgearbeit müssen dann nicht „vereinbart“, sondern beide müssen verändert und umverteilt werden. Schritte in diese Richtung sind: Erhöhung der bisherigen zwei auf zwölf „Vätermonate“ wie es die LINKE fordert[4] und ein vom Einkommen unabhängiges Elterngeld. Das von der SPD geforderte Familiengeld[5] geht schon in diese Richtung.

Gleichzeitig müssen sozialstaatliche Anreize zur Beibehaltung der traditionellen Rollenverteilung beseitigt werden: Kein Ehegattensplitting, das Familien, in denen einer viel und der andere wenig oder gar nichts verdient, steuerlich bevorzugt; dafür ein stärkere Gewichtung der Sorgearbeit bei den Rentenansprüchen; keine beitragsfreie Mitversicherung bei der Krankenversicherung; stattdessen eine Bürgerversicherung für alle und eine Pflegeversicherung, die die gesamten Pflegekosten abdeckt. Familien stehen oft vor dem Dilemma, dass entweder die hohen Zuzahlungen für Pflegeheime alle Ersparnisse aufbrauchen oder meist die Frauen die Pflege zu Hause übernehmen müssen – häufig unterstützt durch Migrantinnen, die in einer tolerierten Informalität einen relevanten Teil der häuslichen Pflege leisten.

Eine weitere wichtige Säule ist die Stärkung der öffentlichen sozialen Infrastruktur. Bildung (Kitas und Schulen), Gesundheit und Pflege gehören zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Ein entscheidender Kampf um die Zukunft des Sozialstaats wird gegen die profitorientierte Privatisierung von Krankenhäusern, Kitas und Pflegeheimen geführt werden müssen. Die Daseinsvorsorge muss in Kommunales oder anderes Gemeinschaftseigentum zurückgeführt werden und allen kostenlos oder gegen geringes Entgelt zur Verfügung gestellt werden.

Sozialstaat, Solidarität und Demokratie am Beispiel von Senior*innenbetreuung und Pflege

Eine feministische Sozialstaatsdiskussion kann sich nicht auf die paternalistische Vorstellung beschränken, dass der Staat alles - möglichst zum Wohle der Bürger*innen - regeln soll. Sozialstaatliche Maßnahmen dürfen die Menschen nicht auf Objekte der Fürsorge reduzieren, sondern müssen zur Beteiligung anregen, mit dem Ziel ein solidarisches Miteinander zu fördern. Beispiele dafür sind die Anfang des 19. Jahrhunderts entstandenen Wohn-, Produktions- und Verteilungsgenossenschaften, die auf Selbsthilfe und Kooperation beruhen. In den 1960er und 1970er Jahren bildeten sich überall selbstverwaltete Kitas, selbstinitiierte Stadtteilhilfen, Arbeitskollektive, die leider oft die neoliberalen Reformen nicht überlebten.

Eine feministische Sozialstaatsdebatte muss mit der Diskussion um solidarische Praxen verbunden werden. Es geht nicht nur um soziale Absicherung, sondern um Mitgestaltung und Partizipation in allen Lebensabschnitten: Selbstbestimmung in der Geburtshilfe, altersgemäße Beteiligung von Schüler*innen an der Strukturierung des Schulalltags, selbstverwaltete genossenschaftliche Wohnprojekte und schließlich auch ein gutes selbstbestimmtes Leben im Alter. Die Kampagne der LINKEN zu Gesundheit und Pflege stößt bei den Beschäftigten auf viel Anerkennung. Aber linke Pflege-Politik kann sich nicht auf die Ansprache der bezahlten Beschäftigten in der Pflege beschränken. Sie muss auch die Alten und Kranken und diejenigen, die zu Hause pflegen (fast ausschließlich Frauen) adressieren. Wie selbstbestimmte Behindertenpolitik schon lange fordert, müssen Menschen, die stark auf die Sorge anderer angewiesen sind, als Subjekte ernst genommen werden. Für viele ältere und behinderte Menschen war es in der Coronazeit unbefriedigend, dass sie zwar durch Isolationsmaßnahmen geschützt, aber nicht nach ihren Wünschen gefragt wurden. Wochenlanger Lockdown in Pflegeeinrichtungen ohne Kontakt zu den Angehörigen haben viele Bewohner*innen als „eingesperrt sein“ empfunden.

Um in solchen Fällen angemessene Lösungen zu finden, muss die soziale Infrastruktur demokratisiert werden. Carenehmer*innen und deren Angehörige genauso wie Caregeber*innen müssen an Entscheidungen sozialer Institutionen beteiligt werden. Gabriele Winker schlägt hierfür den Aufbau von „Care-Räten“ vor, in denen Personen, die bezahlte und unbezahlte Sorgearbeit leisten und empfangen, vertreten sind. Sie sollen Öffentlichkeit für Missstände in Pflege, Erziehung und Sozialem schaffen und politische Vorschläge für gute Pflege, Betreuung und Erziehung aus Sicht der Betroffenen erarbeiten. Perspektivisch sollen diese Care-Räte in alle kommunalen Entscheidungen, die die Daseinsvorsorge betreffen, eingebunden werden. Statt kommerzieller Pflegeheime müssen Kommunen (finanziert vom Bund) eine wohnortnahe stadtteil- oder dorfbezogene Versorgung für Senior*innen schaffen. Dazu gehören selbstorganisierte Projekte wie Mehrgenerationen-Wohnen, Alters-WGs oder genossenschaftlich organisierte Pflegedienste.

Der Wunsch nach solchen Projekten ist allerorten vorhanden. Oft scheitern sie aber an der Finanzierung und an fehlender Planungskompetenz. Zur Unterstützung muss die öffentliche Hand eine Struktur von Projektmanager*innen, Betriebswirt*innen und Sozialarbeiter*innen zur Verfügung stellen. Ein gutes Beispiel für eine wohnortnahe Infrastruktur hat die Bürgergemeinschaft Eichstetten in einer ländlichen Region am Kaiserstuhl geschaffen. Das Motto lautet: „Wenn die Menschen nicht mehr zum Leben gehen können, muss das Leben eben zu den Menschen kommen.“ Ziel ist, den Bewohner*innen alle Dienste anzubieten, die es ermöglichen bis ins hohe Alter ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben im Ort zu führen.

Herausforderungen einer feministischen Sozialstaatsdiskussionen

Der Feminismus hierzulande ist weitgehend weiß, mittelständisch und akademisch geprägt. Es fehlen Repräsentantinnen der migrantischen und autochthonen Arbeiterinnen, die abends die Büros putzen oder morgens die Brötchen verkaufen. Um dies zu ändern, ist es nötig, allen in Deutschland lebenden Menschen – Geflüchtete und Illegalisierte eingeschlossen – einen Zugang zum sozialstaatlichen Netz zu verschaffen. Dies nicht zu tun, ist nicht nur unsozial, sondern reproduziert dauerhaft ethnische Abwertungen und belässt migrantische Frauen in ihren vielfältigen Abhängigkeiten zwischen Ehemann und prekärer oder nicht-legaler Beschäftigung. Der Kapitalismus, der alles zur Ware macht, kommodifiziert zunehmend die Haus- und Sorgearbeit.

Die Coronakrise hat zumindest dazu geführt, dass die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte wahrgenommen werden. Dass in den Küchen und im Reinigungsdienst der profitorientierten Krankenhäuser und Pflegeheime sowie in Privathaushalten meist weibliche und migrantische Arbeitskräfte oft unter Mindestlohn und ohne die geltende rechtliche Absicherung beschäftigt werden, wird aber verdrängt. Feministinnen fordern mehr Repräsentation von Frauen, was richtig ist. Mehr Frauen sollen verantwortliche Positionen und die Hälfte der Abgeordnetenplätze (Paritégesetz) besetzen. Feministisches Ziel kann aber nicht sein, dass während mehr Frauen in die Parlamente einziehen, andere weiterhin schlecht entlohnt und mit kaum Teilhabemöglichkeiten putzen, kochen und pflegen. Forderungen nach stärkerer Vertretung von Frauen drohen neoliberal abzudriften, wenn nicht gleichzeitig die Frage der ungleichen Verteilung der Sorgearbeit, der sozialen und der rechtlichen Ungleichheit angegangen wird.

Fußnoten

[1] Elterngeld bekommen Mütter und Väter, wenn sie nach der Geburt des Kindes nicht oder nur noch wenig arbeiten wollen. Die staatliche Unterstützung beträgt 300 Euro bis 1.800 Euro im Monat, abhängig vom Netto-Verdienst, das der zu Hause bleibende Elternteil vor der Geburt des Kindes hatte.

[2] Das Elterngeld wird maximal 14 Monate lang gezahlt, wenn sich beide an der Betreuung beteiligen. Jedes Elternteil muss dafür mindestens zwei Monate zu Hause bleiben.

[3] In zweifacher Hinsicht ist der vielfach genutzte Ausdruck „Doppelverdiener-Familie“ irreführend: erstens, weil er auf das Ideal der Familie mit dem Mann als Ernährer Bezug nimmt und zweitens, weil er suggeriert, ein Haushalt hätte nun das Doppelte des zum Leben benötigten Einkommens.

[4] „Zwölf Monate Elterngeldanspruch pro Elternteil (bzw. 24 Monate für Alleinerziehende), der individuell und nicht übertragbar ist.“(Sozialstaatsprogramm DIE LINKEN)

[5] Familienarbeitszeit-Modell: nach dem Elterngeldbezug soll es drei Jahre lang eine Subvention geben, wenn beide Eltern ihre Arbeitszeiten angleichen (bei Alleinerziehenden sind partnerunabhängig 80 Prozent die Richtschnur).  

Literatur

Winker, Gabriele, 2015: Care Revolution, Bielefeld

Sabine Skubsch lebt in Karlsruhe und ist Diplompädagogin und Lehrerin. Sie ist Betriebsrätin bei einem freien sozialen Träger und aktiv im Landesvorstand der LINKEN in Baden Württemberg. Außerdem ist sie Mitglied in der Frauenredaktion von Das Argument und in der Redaktion der Zeitschrift LuXemburg.

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Ursprünglich veröffentlicht auf: https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/wie-geht-sozialstaat-feministisch

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Feministischen Bewegungen ist es über viele Jahrzehnte hinweg gelungen, die ungerechte Verteilung von Sorgearbeit gesellschaftlich zum Thema zu machen. Spätestens mit der Coronakrise ist diese Frage auch im medialen Mainstream angelangt. Wie eine solche Umverteilung von Care-Arbeit zu erreichen wäre, dazu werden in linken Debatten unterschiedliche Ansätze diskutiert – vom bedingungslosen Grundeinkommen über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Arbeitszeitverkürzung, sozial- und familienpolitische Maßnahmen oder einen Ausbau sozialer Infrastrukturen. Was ist aus feministischer Sicht zentral? Und was muss verändert werden, damit Sorgearbeit genauso wertgeschätzt wird, wie die Güterproduktion und der Erwerbsarbeit nicht länger nachgeordnet wird?

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Fast alle sind irgendwann darauf angewiesen, gepflegt zu werden: sei es durch Krankheiten, körperliche Einschränkungen oder aufgrund des Alters. Dann brauchen wir Menschen, die uns im Alltag helfen, aber auch Aufmerksamkeit und Zeit schenken. In dieser Situation möchten wir würdevoll behandelt werden und selbst entscheiden, wer uns wie und wo pflegt – unabhängig von Herkunft, Wohnort oder Geldbeutel.

Die Realität sieht leider anders aus. Der «Pflegenotstand» ist zum medialen Schlagwort geworden. Viele machen sich Sorgen, dass sie oder ihre Angehörigen in Armut leben müssen, wenn sie Pflege benötigen. Und viele haben Angst, allein zu bleiben, wenn sie auf Unterstützung angewiesen sind. Diese Ängste sind auch Ausdruck eines löchrigen und sozial ungerechten Pflegesystems.

Diese Broschüre zeigt die Probleme und deren Ursachen im heutigen Pflegesystem in Deutschland auf, nennt Forderungen und Alternativen und sucht schließlich nach Ansätzen, wie sich diese durchsetzen lassen könnten.

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Die Reproduktionskrise feministisch politisieren

Zwischen neoliberaler Humankapitalproduktion und rechter Refamilialisierung

August 2017 • Katharina Hajek

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Das Insistieren darauf, dass wir es gegenwärtig mit einer Krise der sozialen Reproduktion zu tun haben, stellt eine der wichtigsten Interventionen der progressiven, queer-feministischen Linken in herrschende Krisendeutungen dar. egen eine Individualisierung sollen die strukturellen Ursachen von Erfahrungen aufgezeigt werden, die viele im Füreinanderdasein in seiner unterschiedlichsten Form erleben: Erschöpfung, Überforderung, Frust oder das Gefühl der Unzulänglichkeit. Staatliche Austeritätspolitik, Privatisierungen und der markteffiziente Umbau des Wohlfahrtsstaates werden so als Ursachen einer Prekarisierung von Arbeit im öffentlichen Dienst wie auch der flächendeckenden Aushöhlung der öffentlichen Daseinsvorsorge benannt. Die Familie – meist der Verantwortungsbereich von Frauen – kann dies nicht zur Gänze kompensieren, da die gestiegene Frauenerwerbstätigkeit sowie der Druck in vielen Arbeitsverhältnissen schlicht nicht die Zeit und Energie dafür lassen, Pflegeverantwortungen im vollen Ausmaß nachzukommen. Das reibt einerseits den Alltag zwischen Lohnarbeit und Sorgeverantwortungen auf und führt andererseits – dort wo das Familieneinkommen hoch genug ist – zur Auslagerung dieser reproduktiven Arbeiten an meist migrantische, schlecht bezahlte Hausarbeiterinnen in halblegalen Arbeitsarrangements. Zur queer-feministischen Politisierung der Krise der Reproduktion gehört jedoch auch das Aufzeigen der Kämpfe, die dadurch angestoßen wurden. Die Initiative der Care Revolution, die Arbeitskämpfe an der Berliner Charité oder jüngste Initiativen gegen Gentrifizierung und Vertreibung zeigen, dass diese Krise auch mobilisierendes Potenzial hat. Neue Bündnispolitiken, die sich auf das gegenseitige Angewiesensein von Sorgenden und Umsorgten beziehen, werden ebenso diskutiert wie das transformatorische Potenzial von Kämpfen, die an den alltäglichen, reproduktiven Beziehungen ansetzen, in die wir alle eingebunden sind: für den Kampf um neue Verhältnisse und für eine andere Art, sich ins Verhältnis zu setzen (vgl. Dück/Fried 2015).

Doch nicht nur die progressive Linke redet von der Krise der sozialen Reproduktion. Im Gegenteil wird diese Krisendimension gegenwärtig – eher noch als die Wirtschafts- oder ökologische Krise – sowohl von den herrschenden Kapitalfraktionen als auch von der aufstrebenden Neuen Rechten als solche erkannt, benannt und versucht zu bearbeiten. Wie auch bei den progressiven Kräften geht es dabei stets in der einen oder anderen Form um die Krise der Reproduktion der Arbeitskraft wie auch der Bevölkerung. Die Krise der sozialen Reproduktion ist somit ein umkämpftes Terrain und ein Interventionspunkt für unterschiedlichste Interessen.

Neoliberale Humankapitalproduktion

So forcieren die Arbeitgeberverbände in Deutschland seit nunmehr einigen Jahrzehnten einen Krisendiskurs um die Frage der Reproduktion der Arbeitskraft und der Bevölkerung. Der „demografische Wandel“ ist dabei die zentrale Chiffre. Bereits in der Rentendiskussion wurde ab den 1990er Jahren vor einer „Überalterung der Gesellschaft“ gewarnt, wonach immer weniger Beitragszahler*innen eine immer Größere Gruppe an Leistungsbezieher*innen finanzieren müssen. Der sogenannte PISA-Schock im Jahr 2000, das im internationalen Vergleich schlechte Abschneiden deutscher Schüler*innen, fügte der Diskussion um die Reproduktion des Humankapitals eine qualitative Dimension hinzu und ließ keine rosigen Aussichten für das zukünftige Arbeitskräftepotenzial der ‚Wissensökonomie Deutschland’ zu. Gerahmt wurden diese Diskurse vor allem in den 1990er und 2000er Jahren von medial vermittelten Bildern von „menschenleeren Landstrichen“, „schrumpfenden Städten“ und „leeren Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen, die nach und nach in Alten- und Pflegeheime umgewandelt werden“ (vgl. Auth/Holland-Cunz 2007). 

Ab 2002 setzt das Kabinett Schröder II diesen Entwicklungen eine „nachhaltige“ und „bevölkerungsorientierte Familienpolitik“ entgegen, die später auch von der CDU übernommen wurde und die Familienpolitik in Grundzügen bis heute prägt. Damit erfolgte die Hinwendung zu einer aktiven Bevölkerungspolitik, die neben einer forcierten Erwerbsintegration von Müttern vor allem auf eine Geburtensteigerung setzt. Wirft man einen Blick auf die ihr zugrundeliegenden Expertisen, die vom Familienministerium gemeinsam mit familienpolitisch früher eher wenig engagierten Akteuren wie der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) oder dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erstellt wurden, so wird die Reproduktionskrise so explizit wie nie zuvor reflektiert. Das diagnostizierte Geburtendefizit stellt sich vor allem als Problem des fehlenden "Humanvermögens" für den deutschen Wirtschaftsstandort dar. Die schrumpfende Bevölkerung führe nicht nur zu einer Reduzierung, sondern auch zu einer „Überalterung“ des Arbeitskräftepotenzials. Der fehlende „Bildungshunger“ und die nachlassende „Innovationsfähigkeit“ einer ‚alten’ Bevölkerung zeigten auch betriebswirtschaftliche Folgen, da ältere Arbeitnehmer*innen vermeintlich weniger flexibel, weiterbildungsfreundlich und damit weniger produktiv sind. Gesellschaft wird hier zur Belegschaft, die Reproduktion des Humankapitals zur Frage nach der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. 

Diese Politik ist dabei „selektiv pronatalistisch“ (Schultz 2012): Nicht nur einfach mehr Geburten sollen es sein, sondern vor allem gut ausgebildete Frauen sollen Kinder kriegen. Sie sind es, die ihr Humankapital an ihre Kinder weitergeben sollen. Die einkommensabhängige Gestaltung des Elterngeldes ab 2007 sollte die Elternzeit insbesondere für Gutverdienende attraktiver machen, während dieselbe Leistung Hartz-IV-Empfänger*innen seit 2010 de facto gestrichen wurde. Auch beim Ausbau der Kinderbetreuung greift diese Rationalität, die über die Hartz-IV-Reformen gegenfinanziert werden sollte. Während das erweiterte Angebot an Kleinkindbetreuung der erfolgreichen Karrierefrau eine baldige Rückkehr ins Erwerbsleben ermöglichen sollte, wird in Bezug auf „bildungsferne Eltern“ gerade umgekehrt argumentiert: Die Tagesbetreuung bietet die Möglichkeit, die Kinder aus diesen Familien ‚herauszuholen’ und das Humankapital früh in einem professionalisierten Umfeld zu fördern.

Rechte Bevölkerungspolitik und die heteronormative Familie

Auch die aufstrebende Neue Rechte geht von einer Krise der Reproduktion aus, verknüpft dies jedoch mit einer anderen Problematik. Weniger die quantitative und qualitative Reproduktion der Arbeitskraft als die Sorge um die Reproduktion der ‚deutschen’ Bevölkerung und Gesellschaft stehen hier im Zentrum (vgl. Hentschel in dieser Online -Sonderausgabe). Die AfD greift den herrschenden Diskurs um den demografischen Wandel dabei dankbar auf, übersetzt ihn jedoch in eine vermeintliche „Selbstabschaffung“ Deutschlands (AfD 2017, 37). Nicht der internationale Standortwettbewerb, sondern der ‚demografische Druck’ und die Migrationsbewegungen aus dem globalen Süden machen die negative Geburtenbilanz hier zu einer „Bedrohung Europas“ (ebd., 30). 

Die Krise der Reproduktion ist hier eng mit der Krisenerzählung der heterosexuellen Familie verbunden, die rassistische Dimension in den Biopolitiken der Rechten ist also nicht zu trennen von ihrer heteronormativen. Die rechtskonservative Rede von der Familie als „Keimzelle“ ist hier im doppelten Sinne zu verstehen, da – wie es die Vorsitzende der Initiative Christen in der AfD, formuliert – „in diesen sich ergänzenden Geschlechtern [die] biologische und soziale Zukunftsfähigkeit jeder Gesellschaft“ liegt (Schultner 2014). Die geschlechterhierarchische Familie sorgt in diesem Gesellschaftsbild nicht nur für die physische Reproduktion, indem sie Kinder ‚produziert’. Sie ist auch Dreh- und Angelpunkt für die kulturelle und soziale Reproduktion von Gesellschaft: „Stabile Familien sind die Mitte und Grundlage jeder sich selbst erhaltenden Gesellschaft, in der Wohlstand und sozialer Frieden herrschen und Werte weitergegeben werden.“ (AfD 2017, 37). Will heißen: Nur die heteronormative, privatisierte Konstellation von Vater und Mutter garantiert hier die Ausbildung von ‚normalen’ Identitäten und die Weitergabe der damit verbundenen Werte und normativen Orientierungen. Ehe und Familie gelten folglich auch als „staatstragende Institut [...], weil nur dieses das Staatsvolk als Träger der Souveränität hervorbringen kann“ (ebd., 40). Kommen Zweigeschlechtlichkeit und Familie ins Wanken – wie von der Neuen Rechten befürchtet – gerät also nicht nur die quantitative Reproduktion der (‚deutschen’) Bevölkerung in Gefahr, sondern die Gesellschaft als solche. 

Die rechten Bearbeitungsformen, um dieser Reproduktionskrise beizukommen, haben ebenso eine quantitative wie qualitative Seite. Die AfD fordert einerseits die Schließung der Grenzen, die Verhinderung der Zuwanderung sowie eine Beendigung der Abwanderung. Die Rede von der Wiederherstellung der „nationalen Souveränität“ (ebd., 30) steht hier für eine starke Exekutive, die diese Biopolitik in Form von Grenzsicherung und Abschiebungen auch umsetzt. Andererseits wird auch hier – sozusagen als Steigerungsstufe zur neoliberalen Familienpolitik – eine „aktivierende Familienpolitik“ und „nationale Bevölkerungspolitik“ (ebd., 37) gefordert. Ehe und Familie sollen hier ebenso gefördert werden (ebd.) wie die „familiennahe“, sprich häusliche Betreuung von Kindern (ebd., 39) und der „Schutz des ungeborenen Lebens“ (ebd.).

Neoliberale und rechte Biopolitiken als Hegemoniepolitiken

Beide Krisenerzählungen, die des „progressiven Neoliberalismus“ (Fraser 2017) wie auch die der Rechten, ‚greifen’, weil sie jeweils mit spezifischen Geschlechterpolitiken verbunden werden. Sie knüpfen jeweils an alltägliche Erfahrungen an, artikulieren spezifische Vorstellungen über die Gestaltung des Gemeinwesens und bieten Identifikationsangebote. Kurz: Sie können als Hegemoniepolitiken verstanden werden (vgl. Nowak 2010). 

So ist die „nachhaltige Familienpolitik“ auch als Wahltaktik der CDU zu verstehen, um für urbane und gut ausgebildeten Wähler*innen attraktiv zu sein. Diese neoliberale Biopolitik greift dabei durchaus alte feministische Forderungen nach dem Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung, der Erwerbsintegration von Frauen und der Förderung ihrer (finanziellen) Unabhängigkeit auf, reartikuliert sie jedoch in einer Weise, die im letzten Wahlkampf mit Bezug auf Hillary Clinton als business feminism bezeichnet wurden. Anstatt Emanzipation als gesamtgesellschaftliches Projekt zu begreifen, wird diese über den individualisierten Aufstieg einzelner Frauen redefiniert, Fortschritt auf das Durchbrechen ‚gläserner Decken’ reduziert (vgl. Fraser 2017). Im Kontext der Diskussion um Quoten, Work-Life-balance und Diversity-Management kommt es so zu einer Aufwertung einer spezifischen ‚Karriere-Weiblichkeit’. Diese ist zwar eine attraktive Anrufung für eine spezifische Gruppe von Frauen, kann aber nicht als umfassende Subjektivierungsweise fungieren. Gerade die eingangs aufgeworfenen Fragen der materiellen, physischen wie psychischen Reproduktion im Alltag vieler Menschen werden hier ausgespart. Die damit verbundenen Hierarchien und Arbeitsteilungen gerade unter Frauen lässt dieser Ansatz unangetastet. 

Während dieser corporate feminism die Defamilialisierung und Erwerbsarbeit von Frauen fördert, werden der Stress und Leistungsdruck, die schlechten Arbeitsverhältnisse und die Tatsache, dass immer mehr Menschen immer weniger Zeit für sich selbst und ihre Liebsten haben, nicht thematisiert. Genau dies wird von rechtskonservativen Akteuren wie der AfD aufgegriffen. Anstatt diese Kritik jedoch in die Forderung nach einer Umstrukturierung von Arbeitszeitmodellen, der Abschaffung des weiblichen Niedriglohnsektors und der Ausfinanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge zu übersetzen, wird eine erneute Familialisierung von Frauen und eine Reaktivierung des traditionellen Familien-Ernährer-Modells propagiert. Diese Geschlechterpolitiken nutzen dabei oft den Begriff der Wahlfreiheit, der in Deutschland konservativ bis rechts besetzt ist. Damit wird eine Politik angeboten, die es Frauen ermöglichen soll, sich den Zumutungen prekärer ‚Mac Jobs’ ebenso zu entziehen wie den damit verbundenen 60-stündigen Arbeitswochen. Sie können ‚zu Hause’ bleiben, ganz in ‚ihren’ reproduktiven Verantwortungen aufgehen und somit nicht zuletzt auch klaffende Reproduktionslücken schließen. Diese Geschlechterpolitik stellt eine Ankerkennung von Reproduktionsarbeit dar, wenn auch nur in der privatisierten, heteronormativen Form. 

Das fehlt dem neoliberalen Feminismus. Dabei darf man rechtskonservative Geschlechterpolitiken auch nicht dahingehend missverstehen, dass es hier einfach um eine weibliche Unterordnung und Zurückdrängung von Frauen aus der Öffentlichkeit geht. Mit Ausnahme vielleicht spezifischer Strömungen ist es eben nicht einfach ein bloßes „Frauen zurück an den Herd!“. Als Lebensform wäre das heute auch nur für eine verschwindend kleine Minderheit der Frauen interessant. Wenn man sich jedoch beispielsweise auf den von einer AfD-Vorfeldorganisation organisierten "Demos für Alle" umsieht, wo gegen die "Frühsexualisierung von Kindern" und "für die Familie" marschiert wird, bemerkt man, dass Mütterlichkeit als starkes Identifikationsangebot für Frauen fungiert. Hier wird ein neuer Maternalismus artikuliert, der Frauen gerade aufgrund ihrer vermeintlichen Fähigkeit zur Sorge, Pflege und familialen Rolle Präsenz und Mitsprache in der öffentlichen Diskussion zuspricht. Im Kontext einer nationalkonservativen Ideologie wird so eine ‚fürsorgende’, wiewohl ‚starke Weiblichkeit’ propagiert. Das ist eventuell bedeutend anschlussfähiger an viele Lebenserfahrungen, als man sich das auf den ersten Blick denken mag. 

Die Auseinandersetzung um die soziale Reproduktion findet also in einem umfassenden Sinne statt. Die feministische Linke begibt sich damit auf ein ‚beackertes Feld’. Was bedeutet dies nun für die Frage, wie die Reproduktionskrise feministisch zu repolitisieren ist? Im Anschluss an die oben dargelegte Konstellation können drei Punkte in diese Diskussion eingebracht werden.

Die Reproduktionskrise feministisch politisieren 

Erstens müsste es darum gehen, eine alternative Erzählung anzubieten, ohne Biopolitik zu betreiben. Genau diese Art von Politik ist mit den unterschiedlichen rechten wie neoliberalen Versuchen, die Krise der sozialen Reproduktion zu bearbeiten, immer auch verbunden: Sie umfassen bestimmte Vorstellungen, wie soziale Reproduktion von wem und unter welchen Umständen geleistet werden soll, wie Gesellschaft und Gemeinwesen gestaltet werden sollen. Damit werden notwendigerweise immer auch bestimmte vergeschlechtlichte Identifikationsangebote gemacht. Diese sind deshalb relativ erfolgreich, da damit auch jeweils an bestimmte Alltagserfahrungen angeknüpft wird und Zumutungen politisiert werden. Was wäre dem gegenüber eine emanzipatorische, queer-feministische Erzählung, die diesen neoliberalen und rechten Identifikationsangeboten und Gesellschaftsentwürfen entgegengehalten werden könnte? 

Dabei kann es nicht darum gehen, neue ‚Leitbilder’ oder Ähnliches zu formulieren, sehr wohl jedoch darum, ein Projekt und eine konkrete Vision davon anzubieten, wie Gesellschaft und die Organisation reproduktiver Zuständigkeiten aussehen können. Diese Erzählung müsste sowohl die Zumutungen immer prekärer werdender Arbeitsverhältnisse und die fehlende Zeit für sich und andere thematisieren als auch die Refamiliarisierung und Privatisierung von reproduktiven Verantwortungen sowie den damit verbundenen Sexismus kritisieren. Die Entwicklung dieser Erzählung kann nur im Zuge konkreter Aushandlungen und Kämpfe geschehen. Sie muss jedoch auch darüber hinaus weisen. 

Eine solche Erzählung erfordert zweitens, intersektional zu reflektieren, um sich so klar gegenüber neoliberalen oder rechten Biopolitiken abzugrenzen. Gegenüber dem nationalkonservativen Projekt erscheint dies noch relativ einfach. Gegenüber einer Familienpolitik, die Kindergärten ausbaut und reproduktive Leistungen etwa mit dem Elterngeld – im europäischen Vergleich – relativ hoch vergütet, sowie einem Feminismus, der Diversity und Empowerment von Frauen propagiert, ist das schon schwieriger. Eine queer-feministische Position muss hier die rassistischen und klassistischen Ausschlüsse, die mit dieser Politik verbunden sind, explizit benennen – und aktiv politisieren (vgl. Fried in dieser Ausgabe). Wer profitiert von diesem Feminismus? Und wer – und das sind schlicht viele mehr – profitiert davon nicht? 

Drittens würde es bedeuten, aktiv Familienpolitik zu betreiben. Es muss darum gehen, den Begriff der Familie von linksprogressiver Seite wieder zu besetzen. Die feministische Linke tut sich aufgrund der Rolle von Familie in bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaften wenig überraschend schwer mit einem positiven Bezug auf diesen Begriff. Trotzdem hat der Begriff das Potenzial, eine Reihe von queer-feministischen Forderungen und Positionen zu artikulieren, wie es schon mit Konzepten wie der Lebensformenpolitik oder Sorgegemeinschaften versucht wird. Zugleich umgeht der Begriff Familie aber die Gefahr, mit diesen Ideen in subkulturellen Diskussionen verhaftet zu verbleiben – er genießt nicht zuletzt eine ähnliche Popularität wie der Begriff der Demokratie. 

Will eine progressiv-feministische Position Reproduktionsverhältnisse repolitisieren, so muss sie in diesem Kontext dabei Familie als caring communities (und vice versa) fassen und sich dabei darauf beziehen, was Kath Weston bereits Anfang der 1990er Jahre im weitesten Sinne als „families we choose“ gefasst hat. Es müsse darum gehen, der Vielfalt bereits jetzt gelebter Familienformen Ausdruck zu verleihen und zugleich für die materiellen Bedingungen zu kämpfen, damit diese auch gelebt werden können. Um dabei der neoliberalen Privatisierung von reproduktiven Verantwortungen nicht noch mehr in die Hände zu spielen, ginge es darum, sich für den Ausbau, den freien Zugang und die Demokratisierung von reproduktiven Infrastrukturen wie etwa Kinderbetreuungs- oder Pflegeeinrichtungen stark zu machen. In diesem Kontext fordert eine queer-feministische Familienpolitik eine Reform des Eherechts, mehr Unterstützung für Alleinerziehende und die Anerkennung aller Formen des Füreinanderdaseins. Es würde mithin heißen, die Care Revolution auch von ihrer familiären, vielleicht – noch – privaten Seite in Angriff zu nehmen.

Literatur

Alternative für Deutschland, 2017: Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017.

Butler, Judith, 2009: Ist Verwandtschaft immer schon heterosexuell?, in: dies., Die Macht der Geschlechternormen und die Grenzen des Menschlichen, Frankfurt am Main, 167–213 .

Fraser, Nancy, 2017: Für eine neue Linke oder: Das Ende des progressiven Neoliberalismus, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 2/2017, 71–76.

Fried, Barbara/Dück, Julia, 2015: Caring for Strategy. Transformation aus Kämpfen um soziale Reproduktion entwickeln, in: LuXemburg 1/2015, 84–93.

Hentschel, Susanne, 2017: Reproduktion der Klasse, Luxemburg-Online-Sonderausgabe 2017.

Holland-Cunz, Barbara, 2007: Alarmismus. Die Struktur der öffentlichen Debatte über den demographischen Wandel in Deutschland, in: Auth, Diana/Holland-Cunz, Barbara (Hg.), Grenzen der Bevölkerungspolitik. Strategien und Diskurse demographischer Steuerung, Opladen, 63–80.

Lang, Juliane, 2015: Familie und Vaterland in der Krise. Der extrem rechte Diskurs um Gender, in: Hark, Sabine/Villa, Paula-Irene (Hg.), Anti-Genderismus. Sexualität und Geschlecht als Schauplätze aktueller politischer Auseinandersetzungen, Bielefeld, 167–182.

Nowak, Jörg, 2010: Familienpolitik als Kampfplatz um Hegemonie. Bemerkungen zur Leerstelle eines linken Feminismus, in: Auth, Diana/Buchholz, Eva/Janczyk, Stefanie (Hg.), Selektive Emanzipation. Analyse zur Gleichstellungs- und Familienpolitik, Opladen, 129–150.

Schultner, Anette, 22.11.2014, https://demofueralle/wordpress.com/service/demo-22-nov-14/videos/

Schultz, Susanne, 2012: Demografischer Sachzwang und politisiertes Gebären, in: LuXemburg 4/2012, 58–63.

Katharina Hajek promoviert zu den Themen Familien- und Biopolitik an der Universität Wien und ist Redaktionsmitglied der PROKLA.

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Ursprünglich veröffentlicht auf: Die Reproduktionskrise feministisch politisieren | Zeitschrift Luxemburg (zeitschrift-luxemburg.de)

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Wir befinden uns in einer Krise der sozialen Reproduktion: Die Privatisierung sozialer Infrastrukturen, sowie der Rückbau des Sozialstaates haben zu einer weitreichenden Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen im Care-Sektor geführt. Daneben lastet die Sorgearbeit auf den Privathaushalten und somit auf dem Rücken von Frauen und Queers. Aus diesen Gründen muss eine queer-feministische Linke die Deutung der aktuellen Krise in die Hand nehmen und eine Bündnispolitik anstreben, die die Notwendigkeit des füreinander Sorgens in den Mittelpunkt stellt.

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»Wir sind doch keine Sklavinnen!«

(Selbst-)Organisierung von polnischen Care-Arbeiterinnen in der Schweiz

Oktober 2015 • Sarah Schillinger

Foto: Rosa-Luxemburg-Stiftung via flickr / Fotografin: Nate Pischner / CC BY 2.0

Foto: Rosa-Luxemburg-Stiftung via flickr / Fotografin: Nate Pischner / CC BY 2.0

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Unsichtbare machen sich sichtbar

Plötzlich waren sie da, hatten ein Gesicht und eine Stimme: Care-Arbeiterinnen aus Polen, die in der Schweiz rund um die Uhr alte Menschen pflegen und betreuen. Auf der 1.-Mai-Demonstration 2014 in Basel stahlen sie den etablierten Gewerkschaften die «Show»: Geschmückt mit selbst genähten Foulards in den Farben der polnischen Flagge reihten sie sich hinter einem Transparent ein, das den Slogan trug: «Schluss mit der Ausbeutung – Wir fordern Rechte und Respekt!» Auf ihren Bannern war zu lesen: «24 Stunden Arbeit, 6 Stunden Lohn?! Nicht mit uns!» Als der Demonstrationszug vor dem Parlamentsgebäude ankam, betrat Bozena Domanska die Bühne. Sie begrüßte die versammelten DemonstrantInnen auf Polnisch und Deutsch und begann, von ihrer Arbeit zu erzählen:

«Ich habe wie Tausende Frauen aus Osteuropa erlebt, was es heißt, 24 Stunden am Tag ältere Menschen zu betreuen. Es ist nicht die Arbeit selber, die schlimm ist, sondern dass wir Frauen isoliert in einem Privathaushalt sind – ohne soziale Kontakte, ohne Privatleben, Tag und Nacht verantwortlich für einen kranken Menschen. Ein Leben im Rhythmus von anderen: vom Essen über das Fernsehprogramm bis hin zu den Nächten ohne Schlaf. Und dies zu Löhnen zwischen 1.200 und 3.000 Franken brutto. Das ist pure Ausbeutung!»

Mit deutlichen Worten prangerte sie die Praktiken ihrer Arbeitgeber an: privatwirtschaftliche Care-Unternehmen, die mit ihrem Geschäftsmodell des Personalverleihs viel Geld auf dem Rücken der Frauen verdienen, die für sie arbeiten.[1]

«Es ist ein Skandal, dass wir Frauen für eine Arbeit rund um die Uhr nur einen Lohn erhalten, mit dem wir nicht leben können. Viele Leute in der Schweiz denken, das ist genug für uns, weil wir aus Polen oder Ungarn kommen. Aber auch wir haben das Recht, dass die Gesetze der Schweiz für uns gelten. Die Arbeitgeber meinen immer noch, es liege in unserer Natur als Frauen, dass wir ein Teil der Betreuungsarbeit gratis machen. Damit ist jetzt Schluss! Wir haben das Netzwerk Respekt gegründet, um den Care-Arbeiterinnen eine Stimme zu geben im Kampf gegen die Ausbeutung und das Lohndumping. Wir Frauen fordern europaweit die Anerkennung der Care-Arbeit[2] als eine gesellschaftlich höchst wichtige Arbeit und kämpfen für faire Löhne durch eine bessere öffentliche Finanzierung!»

Polnische Community als Ausgangspunkt der Organisierung

Care-Arbeiterinnen in privaten Haushalten gewerkschaftlich zu organisieren ist eine Herausforderung: Oft befinden sie sich in keinem klaren Arbeitsverhältnis, sind geografisch über verschiedene Orte verstreut und arbeiten in der Privatheit von Haushalten, in denen die Beziehung zu ihren Arbeitgebern stark personalisiert ist. In der 24-h-Betreuung sind viele Migrantinnen tätig, die ihren Wohnsitz nur temporär in der Schweiz haben und im ein- bis dreimonatigen Rhythmus zwischen ihrer Familie in Osteuropa und dem Arbeitsplatz in einem Schweizer Haushalt hin- und herpendeln. Als sogenannte live-ins[3] sind ihre Arbeitszeiten entgrenzt, einen echten Feierabend haben sie nicht und nur wenige verfügen über einen kompletten freien Tag in der Woche, um sich außer Haus bewegen zu können. Außerdem ist die Abhängigkeit vom Arbeitgeber groß. Nicht nur muss häufig eine ganze (erweiterte) Familie im Herkunftsland ernährt werden, auch der Kündigungsschutz ist schlecht, und beim Verlust der Stelle verlieren sie nicht bloß ihr Einkommen, sondern sprichwörtlich das Dach über dem Kopf.

Diese Situation ruft nach unkonventionellen Formen der kollektiven Organisierung. Häufig organisieren sich Hausarbeiterinnen jenseits von bestehenden Strukturen und Institutionen wie traditionellen Gewerkschaften in eigenen politischen und sozialen Netzwerken, meist innerhalb ethnischer Communitys. Viele Beispiele aus unterschiedlichen Regionen der Welt zeigen, dass Hausarbeiterinnen bereits über eigene Strukturen verfügen, bevor sie mit einer Gewerkschaft in Kontakt kommen.[4] Dies hat oft damit zu tun, dass Care-Arbeiterinnen als Migrantinnen und Frauen, die Reproduktionsarbeit im Privaten verrichten, häufig nicht die primäre Zielgruppe männlich dominierter Gewerkschaften sind. Für die Schweiz trifft dies nicht unbedingt zu: Hier sind sowohl die Gewerkschaft der Lohnabhängigen in der Privatwirtschaft (UNIA) als auch der VPOD offen und interessiert, die Anliegen von Care-Arbeiterinnen zu unterstützen.[5] Allerdings identifizieren sich Care-Arbeiterinnen kaum mit ihrem beruflichen Status. Die Beschäftigung in Privathaushalten geht meist mit einer erheblichen Dequalifizierung einher. Sie sehen ihre berufliche Stellung deshalb als Übergangssituation, der frau möglichst rasch entfliehen möchte. Oft fällt es ihnen deshalb schwer, sich auf eine gewerkschaftliche Identität als Pflegerin einzulassen. Einfacher ist es, sich mit ihrem migrationspolitischen Status und der eigenen Community von Landsleuten zu identifizieren.

Auch für die polnischen Care-Arbeiterinnen in Basel war ihre Community Ausgangspunkt der kollektiven Aktion. Die polnische Kirchengemeinde spielt dabei eine wichtige Rolle. Sie ist eine Begegnungsstätte, in der die Frauen ein soziales Netz aufbauen konnten. Damit ist die Kirche ein Ort, der für sehr viel mehr steht als für Glauben und Religiosität. Hierhin können sie sich zurückziehen und temporär der Kontrolle und Inanspruchnahme im Haushalt entkommen, die tägliche Routine durchbrechen. Die Kirche ist für sie ein Stück Heimat, was den Ort zu einem transnationalen Zwischenraum macht. Auch können die Care-Arbeiterinnen für den sonntäglichen Gang zur Messe am ehesten freie Zeit aushandeln. Nach dem Gottesdienst treffen sie sich im Kirchgemeindehaus zu Kaffee und Kuchen. In der vertrauten Runde werden nicht nur Alltagssorgen geteilt, sondern auch individuelle Erfahrungen mit Agenturen und Familien ausgetauscht.

Mutiger Gang vors Arbeitsgericht

In diesem Kreis fasste Bozena Domanska vor rund drei Jahren den Mut, mit ihrer Kritik an der prekären Arbeitssituation von 24-h-Betreuerinnen an die Öffentlichkeit zu gehen. Zuvor hatte sie im Alleingang ihren ehemaligen Arbeitgeber verklagt. Bis dahin habe sie sich meist «gebückt» und «nicht so die Rebellin gespielt», sagt sie.[6]Einmal habe sie den Mund aufgemacht und sich bei ihrem Chef – dem Firmenleiter einer privaten Spitex-Firma[7] – über den niedrigen Lohn beklagt. «Der Chef meinte, er stelle sonst eine Ukrainerin an, die den Job für vier Franken die Stunde mache.»

Als Bozena Domanska kurze Zeit später entlassen wurde, weil sie sich wegen falscher Versprechungen zur Wehr setzte, beschloss sie, als erste 24-h-Betreuerin in der Schweiz die Schlichtungsstelle anzurufen und die vielen unbezahlten Überstunden einzuklagen. «Ich kann doch nicht wieder den Kopf runtermachen! Es ging mir um Gerechtigkeit. Er behandelt ja alle Polen wie Dreck. Mit unserer Arbeit verdient er ein Vermögen. Ich brauchte letztlich 20 Jahre, um zu realisieren, dass wir Frauen, die aus Osteuropa hierherkommen, uns nicht immer nach unten orientieren, uns nicht erniedrigen und ausnutzen lassen sollten. Wir sind doch keine Sklavinnen, sondern Menschen mit Gefühlen.» Mit ihrer Klage habe sie anderen Frauen Mut machen wollen: «Wir sind die Aschenputtel aus dem Osten. Und wir getrauen uns nicht, uns zu wehren, weil wir Angst haben.»

Bozena Domanska bekam ohne anwaltliche Unterstützung vor der Schlichtungsstelle Recht und konnte eine Lohnnachzahlung von 7.000 Franken erwirken. Kurz darauf beschloss sie, zusammen mit ihrer Kollegin Agata Jaworska Hilfe bei einem Basler Anwalt zu suchen, um eine Lohnklage von Agata gegen dieselbe Firma vorzubereiten. In dieser Zeit lernte ich die beiden Frauen im Rahmen meiner Forschung[8] kennen.

Wir diskutierten, wie dieser Kampf unterstützt werden könnte, um breitere Aufmerksamkeit zu erreichen. Schließlich kam der Kontakt mit dem VPOD zustande, der sich bereit erklärte, Agata Jaworskas Klage zu unterstützen. Marianne Meyer, die als Gewerkschaftssekretärin beim VPOD in Basel für den Gesundheitsbereich zuständig ist, begleitete fortan unermüdlich den juristischen Prozess. Der gewerkschaftsnahe Anwalt bemühte sich, die komplexe Gesetzeslage aufzuarbeiten und zusammen mit den beiden polnischen Care-Arbeiterinnen alle Details zu ihrem Arbeitsverhältnis zusammenzutragen, um die Beweislage für die vielen unbezahlten Überstunden zu garantieren. Erleichtert wurde dies dadurch, dass sich der von Agata Jaworska betreute pflegebedürftige Mann hinter seine Betreuerin stellte: Er war selbst verärgert über die Geschäftspraktiken des angeklagten Unternehmens und den Umstand, dass er für seine Rundumbetreuung monatlich über 10.000 Franken bezahlte, jedoch nur ein Bruchteil als Lohn an seine Betreuerin weitergegeben wurde.

Es geht um Respekt

Parallel dazu begann Bozena Domanska in der polnischen Kirche mit verschiedenen Frauen über die Lohnklage zu diskutieren. Nicht alle Frauen ließen sich sofort überzeugen, dass es wichtig sei, die ausstehende Bezahlung einzufordern. Einige betonten, dass sie mit ihrem Lohn (zwischen 1.200 und 2.000 Franken pro Monat) zufrieden seien und ihre Anstellung nicht riskieren wollten. Bozena Domanska wies nachdrücklich darauf hin, dass sie Anrecht auf den Schweizer Mindestlohn von rund 18 Franken pro Stunde hätten. «Es geht um Respekt», sagte sie immer wieder und betonte, dass sie als Polinnen die gleichen Rechte hätten wie Schweizerinnen. «Wir leisten unsere Arbeit gern, aber wir sind nicht mehr bereit, uns ausnutzen zu lassen, wir wollen faire Löhne und Arbeitsbedingungen nach den hier geltenden Gesetzen.»

Mit dieser Botschaft gingen die beiden Frauen im Frühling 2013 schließlich an eine breitere Öffentlichkeit. Im Schweizer Fernsehen lief sogar ein Dokumentarfilm, in dem Bozena Domanska porträtiert wurde.[9]Das Echo war groß und positiv. Polnische Care-Arbeiterinnen bekamen dadurch nicht nur ein Gesicht, sondern gewannen viel Sympathie in der Bevölkerung. Bozena Domanska wurde zu einer Art Identifikationsfigur und einer landesweit gehörten Stimme. So konnten weitere Care-Arbeiterinnen angesprochen und das Netzwerk verbreitert werden. Einige fanden per Facebook den Kontakt zu Bozena Domanska und ihren polnischen Kolleginnen in Basel und tauschten sich mittels sozialer Medien über ihre Arbeit aus.

Gleichzeitig traten einige Frauen aus der polnischen Community auf der 1.-Mai-Demonstration in Basel zum ersten Mal öffentlich als Gruppe auf. Ein paar Wochen später gründeten 18 Care-Arbeiterinnen das Netzwerk Respekt@vpod. Sie zeigten sich entschlossen, gemeinsam den Gerichtsprozess von Agata Jaworska zu begleiten und eine politische Bewegung für bessere Arbeitsbedingungen in der 24-h-Betreuung anzustoßen. Den Namen Respekt hatte die Gruppe nicht deshalb gewählt, weil es schon ein gleichnamiges internationales Netzwerk von Hausarbeiterinnen gibt – dies war ihnen gar nicht bekannt –, sondern weil es ihnen genau darum ging: um Respekt – für sich, für ihre Arbeit und im alltäglichen Umgang.

Kein Liebesdienst, sondern Arbeit

Das Respekt-Netzwerk fordert nicht nur die Einhaltung des Mindestlohns. Es geht den Frauen auch darum, die vielen unbezahlten Stunden, in denen die Care-Arbeiterinnen im Haushalt präsent sein müssen, sichtbar zu machen und zu entlohnen. Sie fordern die Zahlung von Zuschlägen für Überstunden, für die Rufbereitschaft in der Nacht und für Sonntagsarbeit. Viele Care-Unternehmen betrachten lediglich fünf bis sieben Stunden pro Tag als lohnrelevante Arbeitszeit.[10]

Gerade die emotionalen Anteile der Care-Arbeit werden häufig von den Angehörigen wie auch von den Agenturen nicht als Teil der Arbeit wahrgenommen. Das stundenlange Sitzen am Bettrand, die empathischen Berührungen, das gemeinsame Singen, der Versuch, eine gute Atmosphäre zu schaffen, aber auch die Bereitschaft, während der ganzen Nacht im Zimmer nebenan abrufbar zu sein – all dies wird nicht als Leistung erkannt und als selbstverständlich vorausgesetzt. «All die Liebe, die du gibst, dafür wirst du nicht bezahlt, das wird nicht gesehen», sagt Bozena Domanska. Damit wehren sich die Aktivistinnen von Respekt auch gegen ein Bild, nach dem die häusliche Sphäre als natürliches Betätigungsfeld von Frauen gilt, die hier Arbeit aus Liebe leisten.[11]

Diese Vorstellung spiegelt sich in den Darstellungen der Agenturen, die 24-h-Betreuerinnen als «aufopfernde Helferinnen», «gute Wesen» oder «Pflegefeen» bezeichnen und damit den Arbeitscharakter dieser Tätigkeit ausblenden.[12]

In Bezug auf die entgrenzten Arbeitszeiten fordern die Aktivistinnen vom Respekt-Netzwerk jedoch nicht nur eine angemessene materielle Entschädigung. Es geht auch darum, Freizeit und Zeit für Erholung zu erstreiten: Dazu gehört ein ganzer freier Tag pro Woche – inklusive einer Nacht, in der die Care-Arbeiterinnen ohne permanente Einsatzbereitschaft durchschlafen können.[13]

Hier geht es ihnen nicht nur um physische und psychische Regeneration, sondern darum, aus der räumlichen und der damit verbundenen sozialen Isolation im Haushalt ausbrechen zu können. Nur wenn die Care-Arbeiterinnen Freizeit haben, können sie mit anderen Menschen außerhalb des Haushalts in Kontakt treten – sei es mit FreundInnen aus der polnischen Community oder mit der lokalen Bevölkerung. Hinzu kommt, dass Care-Arbeiterinnen erst durch den Austritt aus dem Haushalt – also beim Verlassen des Arbeitsplatzes – eine wirkliche Privatsphäre in Anspruch nehmen können. Ist der Eintritt in ein Arbeitsverhältnis normalerweise mit dem Betreten der öffentlichen Sphäre verknüpft, ist hier das Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit umgekehrt: Das Verlassen der Wohnung und der Besuch öffentlicher Orte bedeuten für Care-Arbeiterinnen häufig mehr Privatheit, als ihnen in den Wohnungen der Arbeitgeber gewährt wird. Schließlich ist freie Zeit auch eine wichtige Voraussetzung, um sich überhaupt gewerkschaftlich organisieren zu können.

Eine unkonventionelle gewerkschaftliche Organisierungspraxis

Die Praxis der Organisierung des Respekt-Netzwerkes ist unkonventionell, jedoch für migrantische Gewerkschaften im Niedriglohnsektor nicht untypisch.[14] Genauso wichtig wie die unmittelbare politische Selbstorganisierung gegen Ausbeutung und für soziale Rechte sind für die Mitglieder von Respekt@vpod die praktische Solidarität, die soziale Teilhabe und die Selbstermächtigung innerhalb des Kollektivs. Die Organisierung ist dabei nicht allein auf die Situation am Arbeitsplatz fokussiert, häufig geht es bei den Versammlungen um Fragen des Alltags und der sozialen Reproduktion – zum Beispiel um Gesundheit, um Krankenkassenprämien, um Wohnverhältnisse, um die Aufenthaltsbewilligung oder um die transnationale Lebenspraxis, also die Beziehung zur Familie im Herkunftsland und die Organisation des Lebens zwischen hier und dort. Es werden Informationen über ganz alltägliche Dinge wie Handy-Abos oder billige Reisemöglichkeiten ausgetauscht, aber auch Diskussionen geführt über die Art und Weise, wie die Sorgearbeit in der eigenen Familie organisiert und umverteilt wird, beispielsweise zwischen Ehepartnern. Die politischen Subjektivitäten der Care-Arbeiterinnen sind kaum durch die Interessen des eigenen Berufsstandes geprägt, denn viele haben in Polen ganz andere, oft hoch qualifizierte, teils akademische Berufe erlernt. Vielmehr verbindet sie die gemeinsame Situation des Lebens als Pendelmigrantinnen, die prekäre Abhängigkeit von den Agenturen und den privaten Arbeitgebern sowie die Erfahrung, kollektiv aus der Vereinzelung im Haushalt ein stückweit heraustreten zu können.

Die Aktivistinnen von Respekt sind reguläre Mitglieder der Gewerkschaft VPOD, sie wählen Delegierte in nationale Kommissionen und nehmen an den gesamtgewerkschaftlichen Aktivitäten teil. Auch stehen ihnen alle gewerkschaftlichen Dienstleistungen sowie die Rechts- und Sozialberatung offen, obwohl ihre Beiträge niedrig sind. Gleichzeitig verfügt das Respekt-Netzwerk über eine gewisse Autonomie und ist stark basisgewerkschaftlich organisiert. Bei der Gründung hatten die Aktiven des Netzwerkes beispielsweise beschlossen, eine solidarische Form der finanziellen Unterstützung weiterer Lohnklagen zu schaffen: Die Care-Arbeiterinnen zahlen jeweils 30 Prozent der Summe, die sie bei erfolgreichen Klagen erzielen, in einen Solidaritätsfonds, mit dem die Anwaltskosten für weitere Klagen im Netzwerk finanziert werden können.

Seit Juni 2013 ist – zusätzlich zur regionalen Gewerkschaftssekretärin – Bozena Domanska mit 20 Prozent ihrer Arbeitszeit beim VPOD beschäftigt und speziell für die Arbeit innerhalb des Respekt-Netzwerkes zuständig. Hauptsächlich arbeitet sie weiterhin als Betreuerin in der ambulanten Pflege. Sie verfügt damit nicht nur über ein hohes professionelles Verständnis und geteilte Alltagserfahrungen mit den Respekt-Aktivistinnen, sondern spricht auch deren Muttersprache, was für die Kontaktaufnahme und die Vertrauensbildung von großer Bedeutung ist. Ihr breites soziales Netzwerk kann sie außerdem produktiv für die Mobilisierung und die Verbreiterung der Reichweite von Respekt@vpod nutzen.

Vielfältige Strategien der Selbstermächtigung

Zwei Jahre nach der Gründung sind mittlerweile über 50 Care-Arbeiterinnen Mitglied von Respekt@vpod. Zentrales Moment des Netzwerkes sind die monatlichen Treffen, die jeweils an einem Sonntag im Anschluss an die polnische Messe im Basler Gewerkschaftshaus stattfinden. Bei den Treffen geht es insbesondere um einen Austausch über die spezifischen Arbeitsbedingungen und um die Aufklärung über die ihnen zustehenden Rechte. Dies geschieht in Form von «Know-your-Rights-Workshops», in denen sozial- und arbeitsrechtliches Wissen von kundigen Care-Arbeiterinnen – unterstützt durch die lokalen Gewerkschaftssekretärinnen – weitergegeben wird. Häufig ergeben sich dabei Diskussionen über spezifische Probleme einzelner Frauen, die in Einzelberatungen weiter geklärt werden. Ein wichtiger Bestandteil der Versammlungen ist auch die gemeinsame Planung und Diskussion von politischen Aktionen in der Öffentlichkeit. Bedeutend war in der Anfangsphase des Netzwerkes die kollektive Begleitung des Gerichtsprozesses von Agata Jaworska. Aber auch die gemeinsame Teilnahme an verschiedenen Demonstrationen gegen Sozialabbau im Gesundheitssektor, gegen die Einschränkung der Personenfreizügigkeit im Zuge der Annahme der «Volksinitiative gegen Masseneinwanderung» der Schweizerischen Volkspartei (SVP) oder Mobilisierungen anlässlich des Internationalen Frauentages spielten eine Rolle. Zudem wurden Aktionen vor den Geschäftssitzen lokaler Care-Unternehmen organisiert, die schlechte Arbeitsbedingungen bieten und ihren Mitarbeitenden Rechte vorenthalten.

Die politische Praxis des Respekt-Netzwerkes besteht jedoch nicht nur in juristischen und politisch sichtbaren Kämpfen um Arbeitsrechte. Wichtig sind auch Strategien des Empowerments, durch die sich die Care-Arbeiterinnen erst in die Lage versetzen, unmittelbar im Haushalt ihre Rechte einfordern und ihre Situation verbessern zu können – zum Beispiel, indem klare Vereinbarungen über die Arbeits- und Freizeit und über angemessene Entlohnung ausgehandelt werden. Meistens fühlen sich die Betroffenen aufgrund des personalisierten Arbeitsverhältnisses gegenüber ihren direkten Arbeitgebern moralisch verpflichtet und spüren eine hohe Verantwortung – sie sind, mit der feministischen Ökonomin Nancy Folbre gesprochen: prisoners of love.[15]

Wehren sie sich gegen hohe Arbeitsbelastungen oder fehlende Ruhezeiten und formulieren eigene Ansprüche, riskieren sie, die «guten Beziehungen» zur Familie zu verspielen und als «schlechte Betreuerin» disqualifiziert oder gar ausgewechselt zu werden. Dieses Dilemma kommt in den Diskussionen immer wieder zur Sprache. Die Care-Arbeiterinnen versuchen dabei, mittels Erfahrungsaustausch und Rollenspielen Strategien zu entwickeln, wie sie in ihrem Alltag selbstbewusst auf ihre eigenen Bedürfnisse aufmerksam machen und das Recht auf Selbst-Sorge und Respekt für ihre emotionalen und körperlichen Grenzen einfordern können.

Ein essenzielles Hilfsmittel dazu ist nicht zuletzt die Verbesserung der Deutschkenntnisse, die unter den Care-Arbeiterinnen sehr unterschiedlich sind. Im Respekt-Netzwerk wurden Deutschkurse initiiert, bei denen Frauen mit sehr guten Sprachkenntnissen ihre Kolleginnen unterrichten und ihnen damit wichtige Kommunikationsfähigkeiten vermitteln. Praktische Solidarität wird auch insofern geübt, als Wissen über offene Stellen weitergegeben wird. Für den Fall, dass Care-Arbeiterinnen ihre Stelle verlieren, bemüht sich das Netzwerk darum, eine temporäre Wohngelegenheit bei solidarischen Gewerkschaftsmitgliedern des VPOD vermitteln zu können.

Diese vielfältigen Praktiken der solidarischen Unterstützung stärken die Handlungsmacht der Mitglieder und führen dazu, dass sich die Care-Arbeiterinnen inzwischen als selbstbewusste Akteurinnen sehen, die ihre Stimme erheben und stolz sind auf die wichtige Arbeit, die sie zwar meistens im Verborgenen verrichten, die aber für die Gesellschaft von großer Bedeutung ist.

Politisch bewegt sich (langsam) etwas

Zurück zur juristischen Klage von Agata Jaworska, die als Musterklage darüber entscheiden sollte, wie die 24-Stunden-Betreuungsarbeit in privaten Haushalten entlohnt werden muss. Die RichterInnen vom Basler Zivilgericht kamen in ihrem Urteil vom März 2015 zu der Überzeugung, dass die Arbeit im Privathaushalt bei einer Anstellung durch private Firmen dem Arbeitsgesetz unterliegt. Folglich müssen sämtliche Stunden – auch die der Rufbereitschaft – angemessen entlohnt werden. Im Fall von Agata Jaworska mit dem halben regulären Stundenlohn. Die Klägerin erhielt deshalb für einen dreimonatigen Arbeitseinsatz eine Nachzahlung von rund 17.000 Franken. Das Respekt-Netzwerk fasst dies als einen «bahnbrechenden Erfolg für Agata und für alle anderen Care-Arbeiterinnen». Während der diesjährigen 8.-März-Demonstration feierten die Netzwerk-Frauen ihren gewonnenen Kampf, der sich über zwei Jahre erstreckt hatte. Sie skandierten «Wszyscy jesteśmy Agatą!» – «Wir sind alle Agata!» – und kündigten eine Klagewelle an, bei der sich weitere Respekt-Mitglieder auf diesen Präzedenzfall beziehen werden.

Wie sich dieser Erfolg auf die rechtliche Regulierung des Arbeitssektors Privathaushalt und spezifisch auf den Bereich der 24-h-Betreuung auswirken wird, bleibt abzuwarten. Ende April 2015 publizierte der Bundesrat den lange angekündigten Bericht «Rechtliche Rahmenbedingungen für Pendelmigration zur Alterspflege». Darin wird festgehalten, dass in der privaten Seniorenbetreuung zu Hause oft unhaltbare Arbeitsbedingungen herrschen und «dass es gesetzlichen Handlungsbedarf gibt, um den betroffenen Arbeitnehmerinnen einen angemessenen Schutz zu gewährleisten».[16]

Der Bericht skizziert verschiedene Lösungen: Denkbar wäre der Erlass eines nationalen Normalarbeitsvertrages oder die Stärkung der kantonalen Normalarbeitsverträge, in denen die Bestimmungen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen als bindend erklärt würden. Eine weitere Möglichkeit ist die Schaffung einer neuen Verordnung für diese Arbeitsverhältnisse, wofür jedoch erst die Grundlage im Arbeitsgesetz geschaffen werden müsste.

Statt rasch Maßnahmen zu ergreifen, will der Bundesrat zunächst weitere Klärungen vornehmen: Bis Mitte 2016 sollen die Folgekosten dieser Regulierungsvorschläge für das Sozial- und Gesundheitswesen abgeschätzt und erst dann dem Bundesrat konkrete Lösungsvorschläge unterbreitet werden. Problematisch ist, dass diese dringend nötigen Regulierungen von möglichen Folgekosten abhängig gemacht werden sollen: Das Recht auf die Anerkennung von in der Schweiz üblichen Arbeitsbedingungen darf keine Kostenfrage sein.

Ausblick

Durch die kreativen und vielfältigen gewerkschaftlichen Strategien haben die Care-Arbeiterinnen des Respekt-Netzwerkes eine Öffentlichkeit für ihre Anliegen geschaffen und anderen Betreuerinnen Mut gemacht, sich ebenfalls gegen prekäre Bedingungen zu wehren. Anders als beispielsweise in Österreich, wo im politischen und medialen Diskurs bisher praktisch nur die Bedürfnisse der nachfragenden Familien präsent sind, haben sich die Care-Arbeiterinnen in der Schweiz eine Stimme verschafft. Sie haben damit nicht nur ihre eigenen Bedürfnisse auf die politische Agenda gesetzt, sondern eine gesellschaftliche Diskussion über eine andere Organisation von Pflege und Betreuung angestoßen. Sie haben klar gemacht, dass gute Pflege für die steigende Zahl an pflegebedürftigen Menschen nur unter fairen Arbeitsbedingungen möglich ist.

Gleichzeitig wurde deutlich, dass 24-h-Betreuerinnen längst nicht mehr nur aus Polen in die Schweiz pendeln. Es muss also dringend darüber nachgedacht werden, wie ArbeitnehmerInnen aus anderen Ländern (Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Slowakei, aber auch Sans-Papiers, z. B. aus Lateinamerika) erreicht und über Sprachgrenzen hinweg organisiert werden können. Auch zeigt sich, dass die verschiedenen Rechtsformen und Geschäftspraktiken, mittels derer die Care-Unternehmen agieren und damit häufig unerkannt am geltenden Recht vorbei ihre Geschäfte betreiben, ein ernstes Problem darstellen. Die ungleiche Situation zwischen Care-Arbeiterinnen, die formal in der Schweiz angemeldet und sozialversichert sind, und jenen, die mittels irregulärer Firmen ohne Absicherungen arbeiten müssen, erschwert die Organisierung – und führt nicht zuletzt zu einer verschärften Konkurrenz unter den Care-Arbeiterinnen.

Die immensen Widersprüchlichkeiten und Ungerechtigkeiten in live-in-Arbeitsverhältnissen bleiben bestehen, insbesondere hinsichtlich der grundsätzlichen Frage nach der gesellschaftlichen Organisation, der globalen und geschlechtsspezifischen Verteilung und dem Wert von Care-Arbeit. Eine weitere Politisierung dieser sonst häufig im Verborgenen geleisteten Arbeit in Privathaushalten, die noch immer überwiegend unbezahlt von Familienangehörigen (meistens Frauen) verrichtet wird, steht weiterhin auf der Agenda. Die rechtlichen Bedingungen müssen verbessert werden – dafür sind inzwischen mögliche Wege skizziert. Entscheidend ist letztlich aber der Ausbau einer öffentlichen Care-Infrastruktur, mittels derer die ganze Bevölkerung Zugang zu qualitativ guten Diensten in der ambulanten Pflege, Betreuung und Haushaltshilfe bekommt.[17]

In Bezug auf diese breit zu führende gesellschaftliche Debatte um Care weisen Organisierungsinitiativen wie die von Respekt darauf hin, wie wichtig es ist, von den aktuellen alltäglichen Kämpfen prekär Beschäftigter auszugehen und Kooperationen über Grenzen hinweg zu suchen. Sie fordern auch die Gewerkschaften heraus, sich zu öffnen, an migrantische Netzwerke anzuknüpfen und neue Ressourcen aufzubauen, um einen transnationalen Bezugsrahmen herzustellen.

Literatur

[1] Die Unternehmensformen im Bereich der 24-h-Betreuung sind unterschiedlich. Es gibt a) auf 24h-Betreuung spezialisierte Schweizer Personalverleih-Unternehmen; b) private Spitex-Organisationen, die neben ambulanter Betreuung auch 24h-Betreuung als zweites Standbein betreiben; c) hauptsächlich über das Internet arbeitende Vermittlungsagenturen, die mit Entsendung aus osteuropäischen Ländern operieren, was in der Schweiz für den Haushaltssektor nicht erlaubt ist. Der Markt für 24h-Betreuung ist in den letzten fünf Jahren in der Schweiz expandiert und hat sich stark ausdifferenziert. Vgl. dazu Schilliger, Sarah: Pflegen ohne Grenzen? Polnische Pendelmigrantinnen in der 24h-Betreuung. Eine Ethnographie des Privathaushalts als globalisiertem Arbeitsplatz, Dissertation, Basel 2014, S. 137–200.

[2] Interessant ist, wie sich der Begriff der Care-Arbeit im Selbstverständnis der Aktivistinnen des Respekt-Netzwerkes durch die politische Organisierung immer mehr etabliert. Dies insbesondere, nachdem einige Respekt-Aktivistinnen im März 2014 an der Care-Revolution Konferenz in Berlin teilgenommen hatten und dort mit den politischen Debatten um Care vertraut wurden.

[3] Live-ins werden Hausarbeiterinnen genannt, die im Haushalt der arbeitgebenden Familie leben – im Gegensatz zu live-outs, die eine eigene Wohngelegenheit außerhalb des Haushalts haben.

[4] Vgl. Schwenken, Helen: Transnationale und lokale Organisierungsprozesse für eine ILO-Konvention «Decent Work for Domestic Workers», in: Apitzsch, Ursula/Schmidbaur, Marianne (Hrsg.): Care und Migration. Die Ent-Sorgung menschlicher Reproduktionsarbeit entlang von Geschlechter- und Armutsgrenzen, Opladen/Farmington Hills 2010, S. 200.

[5] Der VPOD sieht die 24-h-Betreuung insofern als wichtiges gewerkschaftliches Interventionsfeld, als dort private Akteure auf dem Pflegemarkt neue, prekäre Standards etablieren. Durch Organisierung in diesem Bereich wollen sie der Ausweitung eines prekären Arbeitsmarktes innerhalb der Pflege und Betreuung entgegenwirken. Auch die UNIA hat in den letzten Jahren verschiedene Organizing-Kampagnen im Pflegesektor initiiert, der zunehmend nach privatwirtschaftlichen Prinzipien strukturiert ist. Sie hat mit lokalen Organisierungsinitiativen im Tessin und jüngst im Kanton Zürich dafür gesorgt, dass neben Basel auch in anderen Regionen 24h-Betreuerinnen gewerkschaftlich unterstützt werden. Die UNIA hat zudem mit den Arbeitgebern einen Normalarbeitsvertrag ausgehandelt, der seit 2011 schweizweit gesetzliche Mindestlöhne im Privathaushalt festschreibt. Auch wenn die beiden Gewerkschaften um Mitglieder und öffentliche Aufmerksamkeit konkurrieren, arbeiten sie oft zusammen. Schon seit 2007 gibt es im Rahmen der Denknetz-Fachgruppe Prekarität in Privathaushalten einen regelmäßigen Austausch zwischen den UNIA-, VPOD-, NGO-VertreterInnen und kritischen WissenschaftlerInnen. Durch verschiedene Tagungen, die diese Gruppe in den letzten Jahren organisiert hat, konnte eine kritische Öffentlichkeit geschaffen werden. Auch die Verabschiedung der ILO-Konvention 189 für die Rechte von Hausarbeiterinnen hat politischen Druck zur Verbesserung von deren Arbeits- und Lebenssituation aufgebaut.

[6] Die Zitate stammen aus Interviews im Rahmen meiner Forschung. Bozena Domanska tritt öffentlich mit ihrem Namen auf, weshalb diese Zitate nicht anonymisiert sind. An dieser Stelle danke ich ihr herzlich dafür, mir unzählige Einblicke in ihre Arbeit als Betreuerin gewährt zu haben.

[7] Spitex ist in der Schweiz die Bezeichnung für ambulante Pflege und Betreuung (SPITal-EXtern).

[8] Im Rahmen meiner Dissertation (Schilliger: Pflegen ohne Grenzen?) unternahm ich eine ethnografische Forschung zur Pendelmigration polnischer Care-Arbeiterinnen. Die Untersuchung war zu Beginn nicht als aktivistische Forschung angelegt, entwickelte sich jedoch durch den intensiven Austausch mit den Care-Arbeiterinnen und durch meine eigene Involvierung bei der Gründung des Respekt-Netzwerkes zu einer partizipativen Aktionsforschung.

[9] «Hilfe aus dem Osten. Pflegemigrantinnen in der Schweiz», Film von Béla Batthyany, unter www.srf.ch/sendungen/dok/hilfe-aus-dem-osten-pflegemigrantinnen-in-der-schweiz-2.

[10] Vgl. Schilliger: Pflegen ohne Grenzen?, S. 152 f.

[11] Dies knüpft an die in der zweiten Frauenbewegung geübte Kritik der Gratisarbeit von Hausfrauen an, die häufig als Liebesdienst gesehen wird. Vgl. Bock, Gisela/Duden, Barbara: Arbeit aus Liebe – Liebe als Arbeit. Zur Entstehung der Hausarbeit im Kapitalismus, in: Gruppe Berliner Dozentinnen (Hrsg.): Frauen und Wissenschaft. Beiträge zur Berliner Sommeruniversität für Frauen, Berlin 1977, S. 118–199.

[12] Vgl. Schilliger, Sarah: Globalisierte Care-Arrangements in Schweizer Privathaushalten, in: Nadai, Eva/Nollert, Michael (Hrsg.): Geschlechterverhältnisse im Post-Wohlfahrtsstaat, Weinheim/Basel 2015, S. 161 f.

[13] Da das Arbeitsgesetz auf private Haushaltungen keine Anwendung findet und von den kantonalen Normalarbeitsverträgen durch schriftliche Vereinbarung abgewichen werden kann, gibt es für Arbeitsverhältnisse in der 24-h-Betreuung hinsichtlich der Arbeits- und Ruhezeiten bisher keine rechtlich verbindlichen Vorgaben.

[14] Vgl. Beispiele aus den USA in: Benz, Martina: Zwischen Migration und Arbeit. Worker Centers und die Organisierung prekär und informell Beschäftigter in den USA, Münster 2014.

[15] Folbre, Nancy: The Invisible Heart: Economics and Family Values, New York 2001.

[16] Schweizer Eidgenossenschaft/Department für Wirtschaft, Bildung und Forschung: Rechtliche Rahmenbedingungen für Pendelmigration zur Alterspflege, 16.3.2012, unter: www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/39176.pdf.

[17] Vgl. Aust u. a.in diesem Heft

Sarah Schilliger ist Soziologin und Oberassistentin am Lehrstuhl für Soziale Ungleichheit, Konflikt- und Kooperationsforschung an der Universität Basel. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Migrations- und Grenzregime-Forschung, Arbeitssoziologie und Care-Ökonomie. Sie ist u.a. aktiv bei Kritnet - Netzwerk Kritische Migrations- und Grenzregimeforschung.

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Ursprünglich veröffentlicht auf: https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/wir-sind-doch-keine-sklavinnen

Foto: Rosa-Luxemburg-Stiftung via flickr / Fotografin: Nate Pischner / CC BY 2.0

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Im Sommer 2013 gründeten polnische Care-Arbeiterinnen mit Unterstützung der Dienstleistungsgewerkschaft Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) in Basel das Netzwerk Respekt@vpod. Sie hatten sich zusammengefunden, um auf ihre prekären Arbeitsverhältnisse aufmerksam zu machen und für Arbeitsrechte, Respekt und ein Leben in Würde einzustehen. Diese Form lokaler Selbstorganisierung von Hausarbeiterinnen hat für den deutschsprachigen Raum Vorbildcharakter: Die Aktivistinnen von Respekt@vpod betreten neue Wege der Organisierung in einem Arbeitsfeld, das meist unsichtbar bleibt und als unorganisierbar gilt, gleichzeitig aber für die gesellschaftliche Organisation von Sorge- und Pflegearbeit zentrale Bedeutung hat. Die Frauen in Basel haben es geschafft, aus ihrem Status als «Objekte», über die politisch verhandelt wird, herauszutreten und eigene Artikulationsformen zu entwickeln. Damit haben sie auch den Gewerkschaften gezeigt, wie neue Formen und Strategien der Organisierung von prekär Beschäftigten aussehen könnten.

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Ziemlich beste Freunde? Bündnisse zwischen Pflegenden und Gepflegten in den USA

Juni 2013

Bild: Raychan / Unsplash

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Pflege, Hausarbeiterinnen, Organisierung, Gewerkschaft, Migration#Pflege #Hausarbeiterinnen #Organisierung #Gewerkschaft #Migration

Auf einer Versammlung im Februar in New York wurden zunächst persönliche Geschichten erzählt. Jede dieser Geschichten rief Erinnerungen wach: an die Pflege des Großvaters, der einen Schlaganfall erlitten hatte, oder an das Kindermädchen, das es der Mutter ermöglichte zu studieren. Wir alle haben solche Geschichten. Was wir aber in der Regel nicht haben, sind genaue Vorstellungen davon, was wir eigentlich tun würden, sollte eine geliebte Person pflegebedürftig werden oder gar uns selbst etwas zustoßen. Wir haben keinen Plan – aber unsere Regierung hat auch keinen. Und das, wo wir ganz offensichtlich auf eine Krise zusteuern. Die Generation der Baby-Boomer altert, 2010 wurde in den USA alle acht Sekunden jemand 65. Diese so genannte Alterswelle entpuppt sich eher als Tsunami.

In dem Maße, wie die ökononomische Situation für viele Familien schwierig wird, steigt die Zahl derjenigen, die auf langfristige Pflege angewiesen sind, geradezu sprunghaft an: Waren es im Jahr 2000 noch 13 Millionen, so sollen es im Jahr 2050 bereits 27 Millionen sein. Die meisten von uns wollen zuhause gepflegt werden, was auch günstiger ist. Laut dem Nationalverband für Ambulante Pflege und Palliativmedizin, der National Association for Home Care & Hospice, ist ein Tag in einem Pflegeheim viermal so teuer wie zwölf Stunden Pflege im häuslichen Umfeld. Doch die derzeit im Bereich häuslicher Pflege tätigen Arbeitskräfte – etwa zwei Millionen Menschen – können diesen Bedarf bei Weitem nicht decken.

PflegerInnen, die langfristig und gut arbeiten, sind rar. Die Gründe liegen auf der Hand: Häusliche Pflege ist ein von Frauen dominierter Sektor ohne arbeitsrechtlichen Schutz, ohne Regelungen zu Mindestlöhnen und Überstunden. Vor allem MigrantInnen und BerufseinsteigerInnen sind hier tätig. Als 1938 der Fair Labor Standards Act (FLSA) verabschiedet wurde, galt Pflege als familiäre Aufgabe oder bestenfalls als Möglichkeit, Erwerbslose zu beschäftigen und die Kosten der Arbeitslosenunterstützung zu senken. Im Jahr 2010 betrug der durchschnittliche Stundenlohn für ambulante Pflege 9,40 US-Dollar. Das durchschnittliche Jahreseinkommen dieser Beschäftigtengruppe belief sich laut einer Umfrage des Paraprofessional Healthcare Institute (PHI) im Jahr 2009 auf 15 611 US-Dollar. Mehr als die Hälfte dieser Pflegekräfte lebt in einem Haushalt, der auf staatliche Transferleistung angewiesen ist. Häusliche Pflege ist zwar zu einem profitorientierten Wirtschaftszweig geworden, in dem jährlich 84 Milliarden US-Dollar umgesetzt werden – die Pflegekräfte sind jedoch weitgehend schutzlos.

»Organisiert Euch!«, könnte man sagen. Und genau das hat Caring Across Generations vor. Ai-jen Poo, Kodirektorin der Kampagne und Leiterin der National Domestic Workers Alliance, begann sich angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise mit Pflegefragen zu beschäftigen: »Wir haben uns Folgendes gedacht: Es gibt eine Beschäftigungskrise und es gibt eine Pflegekrise. Lasst uns also Millionen hochwertiger Arbeitsplätze im Bereich häuslicher Pflege schaffen. Davon profitieren nicht nur die PflegerInnen, sondern auch die Pflegebedürftigen. Und: Das Thema betrifft uns alle.« Es gibt da nur ein Problem. In manchen Bundesstaaten wurden zwar einige Lohn- und Arbeitszeitregelungen auf häusliche Pflegekräfte ausgeweitet, doch auf Bundesebene gibt es kein Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren oder Tarifverhandlungen zu führen. Es gibt nicht einmal ein richtiges Kollektiv, das solche Verhandlungen führen könnte: Die Pflegekräfte sind im Haushalt isoliert, an einem Arbeitsplatz, an dem ­Frauen – wie Friedrich Engels es einmal ausgedrückt hat – im Namen der ›Sorge‹ entweder offen oder verdeckt ›versklavt‹ werden. Poo und ihre GenossInnen lassen sich davon nicht entmutigen. Sie gehen zunächst gegen die Isolation vor, die die Organisierung einer so fragmentierten Arbeiterschaft schwer macht. Sie versuchen Netzwerke aufzubauen und so einen Erfolg überhaupt erst möglich zu machen.

Im vergangenen Juli organisierte Poo gemeinsam mit Sarita Gupta, der Geschäftsführerin von Jobs With Justice, im Washingtoner Hilton eine landesweit beworbene Veranstaltung, um die Caring-Across-Generations-Kampagne zu lancieren. Auf der Bühne saßen dicht gedrängt Pflegekräfte, RentnerInnen und Menschen mit Behinderung – überwiegend Frauen. Fast alle von der Pflegekrise betroffenen Bevölkerungsgruppen waren dort, entschlossen, das Problem in Angriff zu nehmen. Das Bündnis umfasste das gesamte Spektrum von Stadtteilinitiativen und Arbeiterorganisationen, von den Dienstleistungsgewerkschaften AFSCME und SEIU über 9 to 5, den Bund Pensionierter Amerikaner (Alliance of Retired Americans) und das National Day Laborer Organizing Network bis hin zum Christlichen Verein Junger Frauen (YWCA).

Arbeitsministerin Hilda Solis, Tochter einer Hausangestellten, sprach zu den 700 Anwesenden: »Amerika muss ein Land sein, in dem Pflegende und Pflegebedürftige gleichermaßen ein Recht auf Würde und Respekt haben.« Außer Solis sprachen die Schatzmeisterin des Gewerkschaftsdachverbands AFL-CIO, die Rabbinerin Felicia Sol von der jüdischen Organisation Bend The Arc und Jessica Lehman vom Verband Hand in Hand, in dem sich HausarbeiterInnen gemeinsam mit ihren Arbeitgebern für verbesserte Arbeitsbedingungen einsetzen.

Wie bereits in der Kampagne der National Domestic Workers Alliance versucht Caring Across Generations, Bündnisse zu schließen zwischen ArbeiterInnen und denen, für die diese Arbeit geleistet wird. Es geht darum, dass sich die ArbeiterInnen selbst organisieren, entsprechend wird streng darauf geachtet, dass Wort- und Textbeiträge in mehrere Sprachen übersetzt werden, also alle mitreden können, und dass es bei allen Veranstaltungen eine Kinderbetreuung gibt. Die Kampagne basiert außerdem auf enger Zusammenarbeit der mehr als zweihundert beteiligten Organisationen – keine Gruppe kann sich nur um den für sie besonders wichtigen Teil des Gesamtvorhabens kümmern.

Es geht um ein bundesweites politisches Programm, zwei Millionen neue Arbeitsplätze im Bereich der häuslichen Pflege zu schaffen und arbeitsrechtliche Mindeststandards für die Beschäftigten durchzusetzen: geregelte Arbeitszeiten, Mindestlöhne und ein Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Diese Arbeitsplätze sollen mit Ausbildungs- und Zertifizierungsmöglichkeiten einhergehen, um die Qualität der Pflege anzuheben und um denen, die an den Ausbildungsprogrammen teilnehmen, den Zugang zur Staatsbürgerschaft zu erleichtern. Poo zufolge sind die Kosten insofern zu bewältigen, als Pflege im häuslichen Bereich ja günstiger ist als im stationären. Poo schlägt außerdem vor, Militärausgaben zu kürzen, Finanztransaktionssteuern einzuführen und die Besteuerung von Unternehmen auszuweiten. »Es kann nicht sein, dass wir unseren Haushalt auf Kosten der Pflegenden und Gepflegten ausgleichen.«

Caring Across Generations setzt sich für die Ausweitung von Medicaid und Medicare[1] ein sowie gegen Kürzungen im Sozial- und Gesundheitswesen. Immer wieder kommt Poo auf Grundsätzliches zu sprechen: auf die Arbeiterbewegung, die Bürgerrechtsbewegung und die Bewegungen für Frauenrechte sowie für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen: »Es geht um Respekt und Würde, nicht bloß für eine Gruppe, sondern für uns alle, als Menschen.« Setzt man die verschiedenen Themenbereiche wieder zueinander ins Verhältnis, stellen sich auch wieder Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Bewegungen her, glaubt Poo. Darin liege ein Potenzial, Machtverhältnisse spürbar zu verändern.

Einen kleinen Erfolg kann Caring Across Generations bereits verbuchen: Teile des Bündnisses hatten einen wichtigen Anteil daran, dass Präsident Obama im Dezember 2011 eine Ausweitung der Überstunden- und Mindestlohnregelungen auf einige zehntausend Hausangestellte ankündigte. Seit dem Sommer 2011 gründen sich im ganzen Land örtliche Care Councils (Pflegeräte). Dort treffen Menschen aus allen Bereichen der Pflege zusammen, um gegen Kürzungen und Angriffe auf Gewerkschaftsrechte zu kämpfen, aber auch für eine bessere Finanzierung der häuslichen Pflege. Die Care Councils bereiten öffentliche Pflegekongresse in wichtigen Städten wie Los Angeles, San Francisco, Dayton, Seattle, San Antonio und New York vor. »Sie gehen auf sehr unterschiedliche Gruppen zu, die oft gegeneinander ausgespielt werden, und sagen: Wir gehen von dem Grundsatz aus, dass wir uns gemeinsam wehren müssen«, sagt Ellen Bravo von Family Values @ Work, einem in mehreren Bundesstaaten tätigen Bündnis, das sich für eine finanzierte Elternzeitregelung sowie für das Recht auf Krankentage einsetzt.

Auf die Frage, warum die Dienstleistungsgewerkschaft SEIU, die landesweit mehr als 500 000 ambulante GesundheitspflegerInnen vertritt, mit Caring Across Generations zusammenarbeitet und sogar zu dem für Februar geplanten Pflegekongress in Seattle aufruft, sagt die Leiterin des Rats für ambulante Pflege (Home Care Council) der SEIU, Abigail Solomon: »Wir haben uns in der Vergangenheit an Initiativen zu Fragen der Migration, der Gesundheitspflege und der ambulanten Pflege beteiligt, aber dabei immer nur zu einem der Punkte gearbeitet. Dieses Bündnis versucht, all diese Aspekte zusammenzudenken und den Gesamtzusammenhang in den Blick zu nehmen. Außerdem erreicht es auch Bundesstaaten wie Texas, in denen ambulante Pflegekräfte dringend mehr Mitbestimmung benötigen. So werden auch lokale und landesweite Bemühungen um gewerkschaftliches Organizing gestärkt.«

Die traditionellen Arbeiterorganisationen scheinen verstanden zu haben, worum es hier geht: Wenn sie in unserer postindustriellen Ökonomie aus ihrer weitgehenden Bedeutungslosigkeit wieder heraus wollen, müssen sie diese ArbeiterInnen organisieren. Ambulante Pflegekräfte sind, nach den EinzelhändlerInnen und den stationären KrankenpflegerInnen, die am drittschnellsten wachsende Beschäftigtengruppe in den USA. Aber die Organizing-Bemühungen kommen nur langsam in Gang und sind oft wenig solidarisch unternommen worden, sodass die Isolation der Gewerkschaften eher noch verstärkt wurde. Ambulante PflegerInnen sind in ein Gespinst aus sozialstaatlichen, gesundheitspolitischen und sozialarbeiterischen Bürokratien verstrickt. Sie werden oft als Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes aufgefasst (vom Staat beschäftigt und über Medicaid bezahlt), zuweilen aber auch als selbständige Honorarkräfte (die für private Agenturen arbeiten), oder aber sie werden vom Kunden direkt angeheuert. Es gibt keine klaren Abgrenzungen, kein Regelwerk, kein Namensverzeichnis, keine als allgemein üblich geltenden Arbeitszeiten, keine Möglichkeit, sich auszutauschen und zu organisieren.

Diese Situation befördert auch Konflikte zwischen den Gewerkschaften. Als 74 000 ambulante Pflegekräfte aus Los Angeles, die meisten von ihnen Latinas, 1999 für den Beitritt zur SEIU stimmten, war dies für die Gewerkschaftsbewegung zunächst ein Grund zum Feiern. Dann aber folgten heftige Grabenkämpfe zwischen der SEIU und der Gewerkschaft der im Öffentlichen Dienst Beschäftigten, der AFSCME; es ging um die Frage, wer die noch unorganisierten PflegerInnen Kaliforniens anwerben und vertreten sollte. Die Frauen von Caring Across Generations haben zuvor genau jene Netzwerke aufgebaut, die traditionelle Gewerkschaften benötigen, wollen sie in diesem Bereich tätig werden. Bevor Sarita Gupta bei Caring Across Generations anfing, koordinierte sie jahrelang die landesweiten Aktivitäten von Jobs With Justice. Es gelang ihr, Bündnisse zu schmieden zwischen selbstorganisierten ArbeiterInnen und traditionellen Gewerkschaften und somit Tarifrechte, die Rechte migrantischer ArbeiterInnen und den Zugang zu Gesundheitsversorgung zu verteidigen.

Poo wurde zum Organizing-Star, als es der Gruppe Domestic Workers United 2010 gelang, so viele HaushaltsarbeiterInnen, Tagesmütter und UnterstützerInnen zu mobilisieren, dass in New York eine Charta der Rechte von Haushaltsangestellten verabschiedet wurde, die Domestic Workers Bill of Rights (vgl. Poo in LuXemburg 4/2011, 72ff).

Wie Gupta hat Poo immer im Bereich intersektionaler Politik gearbeitet, also dort, wo sich die ›nicht-traditionellen‹ ArbeiterInnen befinden und alle anderen sich hinbewegen. Im Gegensatz zu den großen Gewerkschaften geht es ihnen darum, den langfristigen Aufbau von Verhandlungsmacht ins Zentrum zu stellen. Die National Domestic Workers Alliance ging 2007 aus dem ersten US-amerikanischen Sozialforum in Atlanta hervor. 2010 organisierte das Forum in Detroit ein bahnbrechendes, dreitägiges Treffen von 400 ›marginalisierten‹ ArbeiterInnen – also denen, die nicht unter die Lohn- und Arbeitszeitregelungen des Fair Labor Standards Act fallen: Dazu gehörten TagelöhnerInnen, Haushaltskräfte, TaxifahrerInnen, ehemals inhaftierte ArbeiterInnen und ArbeiterInnen aus jenen Bundesstaaten, von denen die OrganisatorInnen sagen, dass es dort ein »Recht auf schlecht bezahlte Arbeit« gebe. Die damals geführten Diskussionen waren historisch: Es schien, als hätten ArbeiterInnen, die in der old economy randständig waren, begriffen, dass sie mittlerweile zu denen gehören, auf die es in der new economy ankommt. Von ihren KollegInnen ­abgeschnitten, ohne feste Arbeitsstätte, mit willkürlichen Arbeitszeiten und ohne Möglichkeit, kollektive Verhandlungsmacht zu entwickeln, gelang es ihnen nichtsdestotrotz, kreative Bündnisse zu schmieden, die Pioniercharakter aufweisen und spürbare Wirkung entfalten.

Caring Across Generations kann als Prüfstein für das auf den Sozialforen entwickelte Modell angesehen werden, demzufolge die Personen im Mittelpunkt stehen sollten, die von einer bestimmten Situation am stärksten betroffen sind. Sie wissen, wie man sich in diesen Situationen am besten verhält. Auf die Frage, wie auch nur einige der von ihrer Gruppe formulierten Ziele erreicht werden sollen, antwortet Poo in ihrer entwaffnend selbstbewussten und ruhigen Art, dass sie an die unerschütterliche Macht der Liebe glaube. PflegerInnen sind, im Guten wie im Schlechten, Familienangehörige, und damit ist Liebe hier immer auch ein Thema. Dies unterscheidet die Pflege-Problematik vom herkömmlichen Konflikt zwischen ArbeiterIn und ChefIn.

Das Nachdenken über Pflege macht unsere Verletzbarkeit deutlich. Marxistische FeministInnen haben sich heiser geredet darüber, dass hinter jedem rüstigen Helden eine unbezahlte Ehefrau oder eine versklavte Person steht. Doch individuelle Rechte, wie das freie Wahlrecht, waren in den USA stets einfacher durchzusetzen als kollektive, wie das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Die Globalisierung, die Automatisierung und ein drei Jahrzehnte währender Angriff der Konzerne auf die Gewerkschaften haben dieses Problem nur verschärft. Mehr AmerikanerInnen als je zuvor sind an ihrem Arbeitsplatz allein und auf sich gestellt – ­ohne Zugang zu einer Gewerkschaft.

Heidi Hartmann vom Caring-Across-Generations-Führungskomitee und dem Institute for Women’s Policy Research stellt fest: »Frauen waren immer Pioniere, diejenigen, die Dinge auf sich nahmen, die niemand auf sich nehmen wollte. Das sind die Jobs, die Frauen bekommen können.« Es gebe keinen Grund, warum Dienstleistungsarbeit wie Pflege nicht auch gute Arbeit werden könne. Die ersten Fließbandjobs waren Frauenjobs, weil Männer sie nicht wollten. Überschüssige landwirtschaftliche Arbeitskräfte zogen in die Textilfabriken, und dank gewerkschaftlicher Organisierung wurden diese Arbeitsplätze eine Zeitlang zu guten Arbeitsplätzen. Unterm Strich werden dafür zwei Dinge nötig sein: eine kulturelle Wende und eine Menge Druck.

Während eines Besuchs in Connecticut lernte ich Erika kennen. Sie ist 56 und leidet an Muskelatrophie. Erika ist eine große Frau, die in einer kleinen Wohnung lebt, und mit ihr lebt Mel, ihre Pflegerin aus Liberia. Eingepfercht und frustriert, ist Erika alles andere als der still vor sich hin leidende Typ. Mel ist also 24 Stunden am Tag an sieben Tagen in der Woche im Einsatz – obwohl sie nur 21 Wochenstunden bezahlt bekommt. Erika lebt von Sozialhilfe. Sie »liebe« ihren »Engel« Mel, könne sich aber keine Vollzeit-Pflegerin leisten. Theoretisch hätte Mel die Möglichkeit, auch noch für andere KundInnen zu arbeiten, doch bei einem Stundenlohn von 12,30 US-Dollar für 21 Wochenstunden kann sie es sich schlicht nicht leisten, Hausbesuche bei anderen Pflegebedürftigen zu machen – es gibt keine Erstattung von Fahrtkosten. Außerdem hat sie nicht die geringste Ahnung, wie sie in der Nähe weitere KundInnen finden könnte. Mel und Erika zogen gemeinsam zum Staatskapitol von Connecticut, um für das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung einzutreten. Als ich sie nach ihrer Perspektive frage, fängt die erschöpfte Mel an zu weinen. »Ich unterstütze die Gewerkschaft«, sagt sie. »Aber ich sehe nicht, wie sie mir helfen kann. Ich sitze in der Falle.«

Was kann die Gewerkschaft Mel bieten? In mehreren Bundesstaaten haben Gewerkschaften beispielsweise ein Verzeichnis potenzieller KundInnen angelegt – Menschen wie Mel (und Erika) brauchen aber noch mehr. Sie brauchen alles, von kostenloser, qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung über bezahlbaren, gesundheitsverträglichen Wohnraum bis hin zu verlässlichem öffentlichen Nahverkehr. Und wie wäre es mit günstigen, robusten Smartphones, damit ArbeiterInnen den Kontakt zu ihren Anwälten und zueinander halten können? Mel hat eine Stimme, und sie hat eine Geschichte zu erzählen, aber sie braucht Macht, um die Bedingungen, unter denen sie lebt, zu ändern. Wird Caring Across Generations ausreichend Macht entwickeln, um einen weitreichenden Wandel voranzutreiben? »Gewerkschaften und Bewegungen haben so etwas wie einen Lebenszyklus«, sagt Poo. »Und diese Bewegung steckt noch in den Kinderschuhen. Ich glaube, dass wir unbegrenzte Möglichkeiten haben, weil wir tatsächlich die 99 Prozent vertreten – vielleicht sogar die 100 Prozent.«

Der Text erschien zuerst in The Nation, 30.4.2012. Aus dem Amerikanischen von Max Henninger.

Anmerkungen

[1] Medicaid ist ein 1965 eingeführtes Gesundheitsfürsorgeprogramm in den USA. Anspruchsberechtigt sind Menschen mit geringem Einkommen, Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen. Medicare ist die öffentliche Krankenversicherung in den USA. Sie gilt einzig für Bürger ab dem 65. Lebensjahr und Behinderte. Anm. d. Red.

Laura Flanders hat in ihrem Leben viele Radio und TV-Shows moderiert. Ihre Artikel – häufig zu feministischen Themen – erscheinen in The Nation und anderswo. In ihrem Buch »Bei der Tea-Party« wird klar, warum die Rechte in den USA zwar ernstzunehmen ist, die eigentliche Bedrohung aber von der Schwäche der Linken ausgeht. Anlässlich der One-Billion-Rising-Kampagne gegen geschlechtsspezifische Gewalt rief sie auf, nun auch das Schweigen über die alltägliche Gewalt neoliberaler Arbeitsverhältnisse zu brechen.

Ursprünglich veröffentlicht auf: https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/ziemlich-beste-freunde-buendnisse-zwischen-pflegenden-und-gepflegten-in-den-usa

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Die Kampagne Caring Across Generations zielt auf eine völlige Umkehr der Art und Weise, wie – US-AmerikanerInnen über sich selbst und andere, über Arbeit und Ökonomie denken. Es geht darum, zwei Millionen hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen und uns allen einen glücklichen und gesunden Lebensabend zu bescheren. Wie das gehen soll, lässt sich nur verstehen, wenn wir zunächst über Pflege sprechen – und zwar laut und deutlich.

Bild: Raychan / Unsplash

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